Rz. 74

Beim Geschiedenentestament ist die in der Praxis am häufigsten gewählte Gestaltungsvariante die, wonach der Erblasser die gemeinschaftlichen Kinder aus der geschiedenen Ehe zu befreiten Vorerben einsetzt und diejenigen Personen Nacherben werden, die der Vorerbe von Todes wegen zu seinen Erben bestimmt, wobei der geschiedene Ehegatte und dessen Verwandten von der Nacherbfolge ausgeschlossen sind. Es handelt sich hierbei um die so genannte "Dieterle-Klausel", zurückgehend auf dessen Gestaltungsvorschlag in BWNotZ 1971, 170.

 

Formulierungsbeispiel

Nacherben sind die Personen, die der Vorerbe zu seinen gewillkürten Erben einsetzt und zwar im gleichen Anteilsverhältnis, wie er selbst sie zu seinen Erben beruft. Mein geschiedener Ehegatte, dessen Abkömmlinge, soweit sie nicht mit mir gemeinschaftlich sind, und seine Verwandten aufsteigender Linie sind dabei jedoch als Nacherbe ausgeschlossen.

 

Rz. 75

Es besteht allerdings Streit darüber, ob in einer solchen Formulierung ein Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB zu sehen ist.

Die in der Literatur und Rechtsprechung vertretenen Ansichten stellen sich wie folgt dar:

 

Rz. 76

Die herrschende Auffassung sieht in der "Dieterle-Klausel" keinen Verstoß gegen § 2065 BGB.[90] Otte argumentiert, dass es sich nur um eine indirekte Entscheidungsbefugnis handle. Außerdem setze die Entscheidungsbefugnis voraus, dass der Dritte den Inhalt der Anordnung des Erblassers kennt. Dies sei aber kein brauchbares Abgrenzungskriterium im Rahmen des § 2065 BGB.[91]

 

Rz. 77

Leipold setzt voraus, dass der Erblasser den überhaupt in Betracht kommenden Personenkreis benennt, so dass die dritte Person nur noch darüber entscheidet, welche Personen aus dem bezeichneten Personenkreis Erben werden.[92]

 

Rz. 78

Nach Frohnmayer bestehe eine Funktion des § 2065 Abs. 2 BGB darin, Schwebelagen hinsichtlich der Person des Erben zu vermeiden. Bei der "Dieterle-Klausel" entstehe eine derartige Schwebelage nicht.[93]

 

Rz. 79

Nach Auffassung von Wagner sei der weiteren Funktion des § 2065 Abs. 2 BGB, wonach der Erblasser zur Selbstbestimmung gezwungen sei, ebenfalls genügt. Der Erblasser treffe eine eigene Entscheidung über die Person des Nacherben, indem er ihn nach Maßgabe der eigenen Erbenbestimmung des Vorerben bestimmt.[94]

 

Rz. 80

Loritz[95] hält eine Gestaltungsvariante im Sinne einer "Dieterle-Klausel" hingegen für unzulässig. Der Erblasser bilde keinen eigenen Willen und überlasse die Verteilung des Nachlasses dem Willen einer dritten Person. Dies stelle einen Verstoß gegen § 2065 Abs. 2 BGB dar.

 

Rz. 81

Langenfeld[96] sieht in der Ausschaltung des geschiedenen Ehegatten und seiner Verwandten vom Nachlass des Erblassers legitime und anerkennenswerte Zwecke, die die Fallgruppe des Geschiedenentestaments vom Verbotstatbestand des § 2065 Abs. 2 BGB ausnehme. Gleichzeitig entscheide der Erblasser selbst über seine Nacherben, dies unter bewusster Instrumentalisierung der eigenen Erbenbestimmung des Vorerben. Rechtliche Unsicherheiten und Schwebezustände würden nicht entstehen. Die Fallgruppe sei damit bestimmt, abgrenzbar und in der Konsequenz der Ausnahme vom Verbot des § 2065 Abs. 2 BGB sachlich gerechtfertigt. Die Fallgruppe stelle das erbrechtliche Selbstbestimmungsprinzip nicht in Frage, sondern bestätige es im Sinne der Anerkennung einer notwendigen Gestaltungsmöglichkeit.

 

Rz. 82

Zu der Frage, ob die Einsetzung der gewillkürten Erben des Vorerben als Nacherben statthaft ist, steht eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs noch aus. Das OLG Stuttgart hat die Beantwortung der Frage ausdrücklich offen gelassen.[97] Lediglich das OLG Frankfurt/Main[98] hat sich bislang hierzu geäußert. Es vertritt die Auffassung, dass der Erblasser gegen § 2065 Abs. 2 BGB verstößt, wenn er diejenigen Personen zu Nacherben einsetzt, die der Vorerbe zu seinen Erben bestimmt hat. Das Gericht beschränkt sich allerdings auf die Feststellung, der Erblasser habe es ausschließlich dem freien Willen eines Dritten überlassen, wer Nacherbe werden soll. Der Erblasser müsse sich aber selbst über den Inhalt aller Teile seines letzten Willens schlüssig sein und die Verantwortung für jede Änderung der gesetzlichen Erbfolge tragen. Das Gericht macht jedoch keinerlei Angaben zu der Frage, warum der Erblasser im konkreten Fall keinen eigenen Willen gebildet und die Bestimmung des Nacherben ausschließlich dem Ermessen eines Dritten überlassen haben soll. Gegen die Auffassung des OLG Frankfurt spricht eine Entscheidung des BayObLG.[99] Demnach kann der Erblasser die künftigen Adoptivkinder des Vorerben als Nacherben einsetzen. Und zwar auch dann, wenn die Auswahl der Kinder dem Vorerben überlassen ist. Dies stelle eine zulässige Bedingung hinsichtlich der Person des Bedachten dar. Das OLG Köln ist dem BayObLG gefolgt.[100] Diese Fälle sind durchaus mit dem durch das OLG Frankfurt entschiedenen Fall vergleichbar. Rechtlich kann es kein Unterschied sein, ob der Vorerbe mit der Auswahl eigener Adoptivkinder oder eigener Erben den Nacherben bestimmt.

 

Rz. 83

Eigen...

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