Rz. 102

Nicht nur die Höhe, sondern bereits das Bestehen des Vergütungsanspruchs selbst hängen nach dem Wortlaut des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB ("soweit") von der Billigkeit ab.[304] Die Darlegungslast und die objektive Beweislast (auch Feststellungslast) obliegen dem Ehegatten, der den Vergütungsanspruch geltend macht.[305]

 

Rz. 103

Bei der Billigkeitsentscheidung kann, als weniger der Anspruchsversagung insgesamt, dem die Ehewohnung nutzenden Ehegatten eine angemessene Überlegungszeit einzuräumen sein, ob er zukünftig die Wohnung weiter benutzen will oder nicht – und zwar mit der Folge, dass in dieser Übergangs- und Überlegungszeit keine Vergütung für die Nutzung zu entrichten ist.[306]

 

Rz. 104

Eine sogenannte Abstands- oder Ausgleichszahlung kann im Rahmen der Billigkeit auch nicht auf Antrag zugesprochen werden. Mit einer solchen Zahlung sollen die besonderen Aufwendungen des Ehegatten, der die Wohnung verlässt z.B. für die Anmietung und Entrichtung einer neuen Wohnung, Umzugskosten etc. ausgeglichen werden. Nach altem Recht war bei § 5 HausratsVO a.F. die Rechtslage umstritten und zunächst auch bei § 1361b BGB. Die Abstandszahlung spielt aber seit mindestens eineinhalb Jahrzehnten in der Praxis keine Rolle mehr. Sie scheidet bei § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB aus, da die Vorschrift keine Rechtsgrundlage für eine solche Zahlung darstellt.[307]

[304] Johannsen/Henrich/Götz , § 1361b BGB Rn 36; Staudinger/Voppel, § 1361b Rn 76.
[305] MüKo-FamFG/Erbarth, § 200 Rn 15, 16; vgl. auch OLG Frankfurt FamRZ 2011, 373, 374, allerdings nicht problematisierend und nicht zwischen objektiver und subjektiver Beweislast unterscheidend, vgl. dazu unten § 6 Rn 38 ff.
[306] OLG Hamm FamRZ 2011, 481, 482, im Ergebnis ablehnend; OLG Düsseldorf FamRZ 2011, 375, 376; OLG Brandenburg FamRZ 2008, 156; OLG München FamRZ 2007, 1655, 1658, eine Frist von vier Monaten einräumend; Johannsen/Henrich/Götz , § 1361b BGB Rn 35; Palandt/Brudermüller, § 1361b Rn 23; Haußleiter/Schulz , Kap. 4 Rn 69.
[307] MüKo-BGB/Weber-Monecke, § 1361b Rn 24; Staudinger/Voppel, § 1361b Rn 82 mit umfangreichen weiteren Nachweisen auch zur früheren Rechtslage.

aa) Kindeswohl i.V.m. der wirtschaftlichen Situation des Elternteils

 

Rz. 105

Entscheidendes Kriterium ist auch hier das Kindeswohl. Betreut der überlassungsberechtigte Ehegatte ein oder mehrere Kinder und kann er deshalb keiner Erwerbstätigkeit nachgehen, so entspricht es gerade nicht der Billigkeit, dass dieser Ehegatte eine Vergütung für die Nutzung entrichten muss, vielmehr scheidet eine Vergütung nach Billigkeitsgesichtspunkten aus. Hierbei sind die zu § 1570 Abs. 1 S. 1, S. 2, S. 3 BGB entwickelten Grundsätze heranzuziehen.[308] Es ist allerdings besonders zu berücksichtigen, dass es sich im Rahmen von § 1361b BGB um eine besonders frische Trennung handelt und die Kinder in dieser Situation besondere Zuwendung durch den Elternteil bedürfen, weshalb die Anforderungen an eine Erwerbstätigkeit gegenüber § 1570 BGB deutlich herabzusetzen sind. Jedenfalls im ersten Jahr der Trennung sollte bei mehreren Kindern bis zu 10 Jahren keine Erwerbstätigkeit gefordert werden und dementsprechend eine Vergütung ausscheiden.

Die Rechtsprechung[309] und die Literatur[310] erkennen jedenfalls grundsätzlich an, dass die Festsetzung einer Nutzungsvergütung nicht der Billigkeit entspricht, wenn der die Wohnung nutzende, überlassungsberechtigte Ehegatte wegen der Versorgung eines kleinen Kindes nicht erwerbstätig sein kann und von dem anderen Ehegatten, der die Ehewohnung verlassen hat, auch keinen Unterhalt erhält.

Eine Nutzungsvergütung entspricht in den genannten Fällen auch dann nicht der Billigkeit, wenn der überlassungsverpflichtete Ehegatte Alleineigentümer der Wohnung ist.

[309] OLG Naumburg FamRZ 2009, 2090, 2091; OLG Brandenburg FamRZ 2002, 396 (LS Nr. 4); OLG Köln FamRZ 1997, 943; AG Saarbrücken FamRZ 2003, 530; a.A. OLG Bremen FamRZ 2010, 1980, 1981; OLG Hamm FamRZ 2011, 481, 482.
[310] Johannsen/Henrich/Götz, § 1361b Rn 36; Staudinger/Voppel, § 1361b Rn 76; Schwab/Motzer, XIII. Rn 79; KK/Weinreich, § 1361b BGB Rn 40.

bb) Wohnungsteilung

 

Rz. 106

Eine Nutzungsvergütung entspricht auch dann nicht der Billigkeit, wenn dem überlassungsberechtigten Ehegatten nach § 1361b Abs. 1 S. 1 BGB lediglich ein Anspruch auf Überlassung eines Teils der Ehewohnung zusteht und dieser Teil nicht wesentlich größer ist als derjenige, der dem überlassungsverpflichteten Ehegatten verbleibt. Der typischerweise mit dem Verlust des Rechts zum Besitz an der gesamten Wohnung für den überlassungspflichtigen Ehegatten einhergehende finanzielle Aufwand, entsteht nicht, wenn lediglich ein Teil der Wohnung überlassen werden muss. Dies gilt unabhängig von der Rechtslage hinsichtlich der Ehewohnung, also auch dann, wenn der Alleineigentümer der Wohnung überlassungsverpflichtet ist.[311] Leben Kinder in der Ehewohnung, so sollten diese möglichst auch bei einer Teilung der Wohnung die von ihnen bisher als Kinderzimmer genutzten Räume weiterhin als solche benutzen und bewohnen. Falls dies ausnahmsweise einmal nicht m...

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