Rz. 23

Eine Anfechtung gem. § 119 Abs. 2 BGB ist immer dann möglich, wenn bei der Annahme der Erbschaft eine kausale und objektiv erhebliche Fehlvorstellung über eine verkehrswesentliche Eigenschaft der Erbschaft besteht. Die Anfechtung ist damit nur begründet, wenn die Kenntnis von der wahren Sachlage bei objektiv verständiger Würdigung Anlass gewesen wäre, von der Erklärung abzusehen.[23]

 

Rz. 24

Da nicht der Wert des Nachlasses als solcher, sondern nur die wertbildenden Faktoren als verkehrswesentliche Eigenschaften anzusehen sind, kann eine fehlerhafte Vorstellung über den Wert des gesamten Nachlasses – ohne Irrtum über den Nachlassbestand – oder einzelner Nachlassbestandteile[24] keinen Anfechtungsgrund abgeben. Ein Irrtum über den Nachlasswert ist ein unbeachtlicher Motivirrtum.

 

Rz. 25

Ein Irrtum über Zusammensetzung des Nachlasses, insbesondere die Zugehörigkeit bestimmter Rechte zum Nachlass, die Art der Nachlassverbindlichkeiten, Auflagen und Beschränkungen des Erben, die Eigenschaft der konkreten Rechtsstellung, die dem Erben zugefallen ist, die Berufung eines weiteren Miterben u.Ä. stellen dem gegenüber erhebliche Rechtsirrtümer dar. Ein relevanter Eigenschaftsirrtum liegt im Einzelnen u.a. vor:

bei Überschuldung des Nachlasses, wenn die Annahme der Überschuldung darauf beruht, dass die Zugehörigkeit bestimmter Gegenstände zum Nachlass oder das Bestehen von Nachlassverbindlichkeiten fehlerhaft bejaht oder verneint wurde,[25]
bei einem Irrtum darüber, mit welchen Nachlassverbindlichkeiten, auch Vermächtnissen der Nachlass belastet ist,[26]
bei einem Irrtum über Beschränkungen des Erben durch Testamentsvollstreckung oder Nacherbeneinsetzung,[27]
bei einem Irrtum über die Höhe der dem Anfechtenden zustehenden Erbquote,[28]
wenn einem Erben bei Annahme der Erbschaft die testamentarische Berufung eines weiteren Miterben nicht bekannt ist,[29]
bei einem Irrtum über Teilungsanordnungen, die den Inhalt der Rechtstellung des Erben wesentlich prägen,[30]
bei einem Irrtum über die Herkunft des Nachlassvermögens,[31]
bei Unkenntnis von Immobilien eines westdeutschen Erblassers in der DDR,[32]
bei einem Irrtum darüber, wer Testamentsvollstrecker oder Nacherbe geworden ist.[33]
[23] MüKo/Leipold, § 1954 Rn 11 ff.
[24] BayObLG FamRZ 1996, 59.
[25] BGH NJW 1989, 2885; BayObLGZ 1980, 23, 27; MüKo/Leipold, § 1954 Rn 14 m.w.N.
[26] BayObLG FamRZ 1983, 834.
[27] BayObLG ZEV 1996, 425.
[28] OLG Hamm NJW 1966, 1080.
[29] BGH ZEV 1997, 22.
[30] MüKo/Leipold, § 1954 Rn 15.
[31] MüKo/Leipold, § 1954 Rn 16.
[32] KG OLGZ 93, 1; BayObLG FamRZ 1994, 848.
[33] MüKo/Leipold, § 1954 Rn 16; Lange/Kuchinke, § 8 VII 2 d.

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