a) Allgemeines

 

Rz. 3

Schlägt der Erbe die Erbschaft aus, so gilt gem. § 1953 Abs. 1 BGB der Anfall der Erbschaft an den Erben als nicht erfolgt. Die Erbschaft fällt dann gem. § 1953 Abs. 2 BGB demjenigen zu, der erben würde, wenn der Ausschlagende den Erbfall nicht erlebt hätte. Dem Ausschlagenden steht aber ein ihm zugewandtes Vorausvermächtnis zu, wenn es nicht mitausgeschlagen wurde und es nicht unter der Bedingung der Erbschaftsannahme stand.

 

Rz. 4

 

Hinweis

Die Ausschlagung hat erhebliche pflichtteilsrechtliche Relevanz. Grundsätzlich verliert der Erbe durch die Ausschlagung auch sein Pflichtteilsrecht. In Ausnahmefällen, wie z.B. bei der Ausschlagungsmöglichkeit nach §§ 2306 Abs. 1, 2307 BGB, also im Fall der testamentarischen Erb- oder Vermächtniseinsetzung bei Beschwerung durch Anordnung von z.B. Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbfolgeregelung, oder bei § 1371 Abs. 3 BGB, der es dem überlebenden Ehegatten ermöglicht, zwischen der Annahme der Erbschaft und Geltendmachung von Pflichtteil und Zugewinnausgleich zu wählen, kann eine taktische Ausschlagung sinnvoll oder sogar geboten sein.

b) Ausschlagung des Nacherben

 

Rz. 5

Bei Ausschlagung des Nacherben ist die Regelung des § 2142 Abs. 2 BGB zu beachten. Hat der Erblasser nichts anders bestimmt, verbleibt die Erbschaft dem Vorerben bzw. es kommt zur Anwachsung, wenn nur einer von mehreren Nacherben ausschlägt. In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich die Regelung des § 2069 BGB anwendbar, nach der Abkömmlinge des ausschlagenden Pflichtteilsberechtigten in die Nacherbenstellung eintreten. Etwaige weitere Nacherben sind hier durch § 2320 BGB vor Pflichtteilsforderungen geschützt und werden nicht belastet. Anderes gilt aber gegenüber dem Vorerben. Dieser wird mit dem Pflichtteilsrecht des ausschlagenden Vorerben und dem Nacherbenanspruch, der gem. § 2069 BGB auf die nachrückenden Abkömmlinge übergeht, belastet. Dies wird i.d.R. nicht dem Erblasserwillen entsprechen,[1] so dass hier – unabhängig von dem Ergebnis der Auslegung der letztwilligen Verfügung anhand des Erblasserwillens – eine tatsächliche Vermutung besteht, die dem Eintritt der Rechtsfolge des § 2069 BGB entgegensteht.[2]

[1] MüKo/Leipold, § 2069 Rn 13 m.w.N.
[2] BGHZ 33, 60 OLG Stuttgart OLGZ 1982, 271, 272.

c) Ausschlagungsfrist

aa) Allgemeines

 

Rz. 6

Die Ausschlagungsfrist beträgt gem. § 1944 Abs. 1 BGB grundsätzlich sechs Wochen und beginnt mit dem Zeitpunkt, in welchem der Erbe von dem Anfall und dem Grund der Berufung zum Erben Kenntnis erlangt. Befindet sich der Erbe zu diesem Zeitpunkt im Ausland, so beträgt die Ausschlagungsfrist sechs Monate gem. § 1944 Abs. 3 BGB. Ist der Erbe durch Verfügung von Todes wegen berufen, so beginnt die Frist gem. § 1944 Abs. 2 BGB nicht vor Verkündung der Verfügung, d.h. vor Testamentseröffnung zu laufen. Die Frage, ob und wann ein Erbe Kenntnis vom Anfall der Erbschaft und Grund der Berufung zur Erbfolge erlangt hat, liegt auf tatsächlichem Gebiet. Die Darlegung eines Erben, vor einem bestimmten Zeitpunkt keine Kenntnis vom Erbfall gehabt zu haben, ist grundsätzlich ausreichend für die Annahme des Beginns der Ausschlagungsfrist. Hat das Nachlassgericht abweichende Erkenntnisse, hat es diesbezüglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, dass unter der Berücksichtigung eines funktionierenden Postverkehrs Behördenpost den Adressaten auch erreicht; Ausnahmen sind indes denkbar.[3]

bb) Fristbeginn

 

Rz. 7

Im Rahmen einer Ausschlagung nach § 2306 BGB bzw. § 2307 Abs. 1 S. 1 BGB beginnt die Frist erst ab Kenntnis des Pflichtteilsberechtigten von den Beschränkungen und Beschwerungen zu laufen, sofern diese auch wirklich bestehen und vom Erben nicht nur irrig angenommen werden.[4] Die Kenntnis eines belastenden Testaments reicht also nicht aus, um die Ausschlagungsfrist in Lauf zu setzen, solange der Betroffene das Testament für unwirksam hält.[5] Ist die Auslegung eines Testaments zwischen den Erben streitig, vermittelt auch ein nicht näher begründeter Hinweis des Nachlassgerichts, die Erbfolge richte sich nach diesem Testament, i.d.R. noch keine Kenntnis, wohl aber ein Beschluss, einen Erbschein zu erlassen.[6]

[4] BGHZ 112, 229.
[5] Damrau/Tanck/Masloff, § 1944 Rn 7, Rn 8.
[6] OLG München ZErb 2006, 385 ff.

cc) Besonderheiten bei gemeinschaftlichen Testamenten

 

Rz. 8

Ein in diesem Zusammenhang auftretendes Problem ist die Ausschlagung bei gemeinschaftlichen Testamenten.

Für den Fall der Einheitslösung im sog. Berliner Testament bedarf es einer Ausschlagung des Schlusserben nicht; ist dieser pflichtteilsberechtigt, kann er seinen Pflichtteil am Nachlass des Erstversterbenden auch ohne Ausschlagung geltend machen.

Für den Fall der Trennungslösung/Vor-, Nacherbschaft, muss der zum Nacherben eingesetzte Pflichtteilsberechtigte die Nacherbschaft ausschlagen, um seinen Pflichtteil geltend machen zu können. Die Ausschlagungsfrist beginnt nach § 1944 Abs. 2 S. 1 BGB i.V.m. § 2139 BGB nicht vor Eintritt des Nacherbfalles. § 2142 Abs. 1 BGB stellt jedoch klar, dass der Nacherbe bereits ab dem Erbfall ausschlagen kann.

 

Rz. 9

Zu beachten ist, dass die Verjäh...

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