Rz. 112

Das zweite Kapitel (§§ 708 bis 718 BGB) regelt das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zur Gesellschaft unter Zusammenfassung des auf die §§ 706 bis 713 und auf die §§ 716 bis 722 BGB alt verteilten Normenbestands und ordnet ihn inhaltlich neu unter der genannten Bezeichnung,[202] was insoweit neue Relevanz erlangt, als sich infolge der gesetzlichen Anerkennung der Rechtsfähigkeit der GbR (§ 705 Abs. 2 und 3 i.V.m. §§ 706 ff. BGB) die Rechte und Pflichten der Gesellschafter nicht mehr auf deren Rechtsbeziehungen untereinander beschränken, sondern auch im Verhältnis zur Gesellschaft bestehen (multipolares Rechtsverhältnis).[203]

 

Beachte:

Dem hingegen regelt das dritte Kapitel (§§ 719 bis 722 BGB) das Rechtsverhältnis der GbR zu Dritten (organschaftliche Vertretungsmacht).

 

Hinweis:

In Bezug auf die Partnerschaftsgesellschaft ist es hingegen zu bloßen redaktionellen Anpassungen der Verweisungsnorm in § 6 PartGG (Rechtsverhältnis der Partner untereinander) respektive § 7 PartGG (Wirksamkeit im Verhältnis zu Dritten, rechtliche Selbstständigkeit) gekommen.

 

Rz. 113

Der Gesetzgeber hat dabei – einer Empfehlung des 71. DJT folgend[204] – von einer Kodifizierung allgemeiner gesellschaftsrechtlicher Grundsätze wie

1. der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht,
2. des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des
3. Wettbewerbsverbots (entsprechende Anwendung der §§ 117, 118 HGB)[205]

abgesehen, da "die Vielfalt an denkbaren Anwendungsfällen (…) hier im Allgemeinen zu einer derart abstrakt-generellen Regelung zwingen würde, dass davon auszugehen ist, dass der Rechtsanwender aus einer Kodifizierung allenfalls einen geringen Nutzen ziehen könnte".[206]

Die Altregelung des § 708 BGB (Haftungsbeschränkung auf Verletzung der in eigenen Sachen üblichen Sorgfalt – diligentia quam in suis) konnte entfallen, da der Tatbestand sich auf das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander bezog,[207] wohingegen es jetzt um die Haftung gegenüber der rechtsfähigen GbR geht.[208]

[202] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 139.
[203] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 139.
[204] Beschluss 8 des 71. DJT, Verhandlungen des 71. DJT, Bd. II/2, 2017, S. O220.
[205] Vor allem in Bezug auf das Eintrittsrecht nach § 113 Abs. 1 Hs. 2 HGB alt (respektive § 118 Abs. 1 2. Hs. HGB neu) bei der unternehmenstragenden GbR: RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 139, was zum Teil schon heute anerkannt ist (vgl. zur Geschäftschancenlehre BGH, Urt. v. 4.12.2012 – II ZR 159/10, juris Rn 20 = ZIP 2013, 361; Fleischer, NZG 2013, 361 ff.; MüKo-HGB/Langhein, § 112 Rn 4.
[206] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 140.
[207] Dazu näher Schirrmacher, Der Haftungsmaßstab in der Personengesellschaft nach dem MoPeG, ZHR 2022, 250.
[208] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 140, weshalb der Gesetzgeber der Empfehlung des 71. DJT nicht gefolgt ist, den Maßstab der eigenüblichen Sorgfalt nur für Personenhandelsgesellschaften durch den Maßstab der verkehrsüblichen Sorgfalt zu ersetzen (vgl. Beschluss 17a des 71. DJT, Verhandlungen des 71. DJT, Bd. II/2, 2017, S. O222). Für eine Beibehaltung des besonderen Sorgfaltsmaßstabs bestehe auch kein durchgreifendes praktisches Bedürfnis, zumal die von der Rechtsprechung entwickelten zahlreichen Ausnahmen zu § 708 BGB alt (bspw. Publikumsgesellschaft, kapitalistisch strukturierte Gesellschaft, Haftung im Straßenverkehr) belegten, dass die Vorschrift die legitime Verhaltenserwartung der Gesellschafter in weiten Teilen nicht mehr angemessen nachbilde (so Fleischer/Danninger, NZG 2016, 481, 489 f.; ders., JZ 2019, 53, 55 f.). Interessengerechte Lösungen ließen sich ohne Weiteres mit der allgemeinen Rechtsgeschäfts- und Schuldrechtslehre besser erreichen (z.B. stillschweigend vereinbarter Haftungsausschluss, verkehrskreisbezogene Bestimmung des allgemeinen Sorgfaltsmaßstabs nach § 276 Abs. 1 S. 1 BGB). Diese Erwägung gelte gleichermaßen für die rechtsfähige wie auch für die nicht rechtsfähige Gesellschaft, weil beide jedenfalls auch ein vertragliches Schuldverhältnis darstellen: RegE, a.a.O.

1. Gestaltungsfreiheit

 

Rz. 114

Die Neuregelung des § 708 BGB (Gestaltungsfreiheit) – § 708 BGB alt regelte die Haftung der Gesellschafter (diligentia quam in suis) – hat folgenden Wortlaut:

 

Von den Vorschriften dieses Kapitels kann durch den Gesellschaftsvertrag abgewichen werden, soweit im Gesetz nichts anderes bestimmt ist.

 

Rz. 115

§ 708 BGB ist – dem § 109 HGB alt (vgl. auch § 108 HGB) nachgebildet – "gesetzlicher Ausdruck der den Zusammenschluss zu einer Gesellschaft prägenden, neben der Abschlussfreiheit auch die inhaltliche Gestaltungsfreiheit gewährleistenden Privatautonomie der Gesellschafter"[209] und basiert auf der Überlegung, "dass sich das Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zur Gesellschaft vorrangig nach dem Gesellschaftsvertrag richtet".[210]

 

Rz. 116

Von den Vorschriften dieses Kapitels 2 (Rechtsverhältnis der Gesellschafter untereinander und der Gesellschafter zur Gesellschaft) kann durch den Gesellschaftsvertrag nach § 708 BGB (...

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