Rz. 343

Die Neuregelung des § 729 BGB "als Eingangs- und zugleich Katalogvorschrift"[610] normiert – nicht abschließend – Auflösungsgründe, die zur anschließenden Liquidation der Gesellschaft führen. § 729 BGB hat folgenden Wortlaut (wohingegen § 729 BGB alt die Fortdauer der Geschäftsführungsbefugnis im Fall der Auflösung der Gesellschaft geregelt hatte):

 

(1) Die Gesellschaft wird aufgelöst durch:

1. Ablauf der Zeit, für welche sie eingegangen wurde;
2. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft;
3. Kündigung der Gesellschaft;
4. Auflösungsbeschluss.

(2) Die Gesellschaft wird ferner aufgelöst, wenn der Zweck, zu dem sie errichtet wurde, erreicht oder seine Erreichung unmöglich geworden ist.

(3) Eine Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist, wird ferner aufgelöst:

1. mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse abgelehnt worden ist;
2. durch die Löschung wegen Vermögenslosigkeit nach § 394 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.

Dies gilt nicht, wenn zu den persönlich haftenden Gesellschaftern eine andere rechtsfähige Personengesellschaft gehört, bei der mindestens ein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist.

(4) Im Gesellschaftsvertrag können weitere Auflösungsgründe vereinbart werden.

[610] Schäfer/Noack, § 9 Rn 3.

1. Auflösungsgründe

 

Rz. 344

Die Gesellschaft wird nach § 729 Abs. 1 BGB (respektive der Parallelregelung des § 138 Abs. 1 HGB) – in Zusammenfassung der §§ 723, 726, 728 Abs. 1 BGB alt und in Erweiterung um die Auflösungsgründe des § 131 Abs. 2 Nr. 1 und 2 HGB alt – aufgelöst aufgrund folgender enumerativ gelisteter Gründe:

Ablauf der Zeit (Befristung i.S.v. § 163 BGB, der eine Bedingung nach § 158 BGB gleichzustellen ist),[611] für welche sie eingegangen wurde (Höchstdauer – Nr. 1, wovon die Vereinbarung einer Mindestdauer zu unterscheiden ist, in der das Recht zur ordentlichen Kündigung nach § 725 Abs. 2 BGB ausgeschlossen ist [zulässig ist nur eine Kündigung aus "wichtigem Grund", d.h. eine außerordentliche Kündigung]);[612]
Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft (Nr. 2 – entsprechend § 728 Abs. 1 BGB alt);
Kündigung der Gesellschaft durch den Gesellschafter (Nr. 3 [vgl. § 731 Abs. 1 BGB], wovon das Ausscheiden eines Gesellschafters durch Kündigung seiner Mitgliedschaft nach § 725 Abs. 2 BGB zu unterscheiden ist);
Auflösungsbeschluss (Nr. 4 [vgl. § 732 BGB] – entsprechend § 131 Abs. 2 Nr. 2 HGB alt).
 

Rz. 345

Vgl. zudem den weiteren Auflösungsgrund in § 729 Abs. 2 BGB: Erreichen oder Unmöglichkeit der Erreichung des Zwecks, zu dem die Gesellschaft errichtet wurde.

Nr. 1 (Zeitablauf) ergibt sich bereits aus der Privatautonomie. Hier erfolgt eine Klarstellung entsprechend § 131 Abs. 2 Nr. 1 HGB alt.[613]

In Bezug auf Nr. 3 (Kündigung der Gesellschaft – § 723 BGB alt) ist jetzt zwischen der Kündigung der Gesellschaft (die deren Auflösung bewirkt) und der Kündigung der Mitgliedschaft (die nur zum Ausscheiden des kündigenden Gesellschafters führt) zu unterscheiden.[614]

 

Beachte:

Die vormaligen weiteren, in der Person des Gesellschafters liegenden Auflösungsgründe – Tod bzw. Insolvenz des Gesellschafters und Kündigung der Gesellschaft – hat der Gesetzgeber in Ausscheidensgründe umgewandelt,[615] wobei diese Gründe nach § 729 Abs. 4 BGB durch eine entsprechende gesellschaftsvertragliche Vereinbarung auch wieder in Auflösungsgründe rückumgewandelt werden können (weitere, durch Gesellschaftsvertrag vereinbarte Auflösungsgründe).

[611] Schäfer/Noack, § 9 Rn 4.
[612] Schäfer/Noack, § 9 Rn 4.
[613] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 178.
[614] RegE, BT-Drucks 19/27635, S. 178.
[615] Schäfer/Noack, § 9 Rn 3.

2. Erreichen oder Unmöglichwerden der Erreichung des Zwecks, zu der die Gesellschaft errichtet wurde

 

Rz. 346

Die Gesellschaft wird ferner nach § 729 Abs. 2 BGB (entsprechend § 726 BGB alt) aufgelöst, wenn der Zweck, zu dem sie errichtet (Zweckerreichung) wurde, erreicht oder seine Erreichung (nachträglich)[616] unmöglich geworden ist. Zweckerreichung (§ 729 Abs. 2 1. Alt. BGB) und Zeitablauf (§ 729 Abs. 1 Nr. 1 BGB) können sich überlagern, was – so Noack[617] – für eine enge Auslegung der Zweckerreichung sprechen soll (die eher bei Gelegenheits- denn bei unternehmenstragenden Gesellschaften in Frage kommen wird).

[616] Eine anfängliche Unmöglichkeit führt allenfalls zur Entstehung einer fehlerhaften Gesellschaft; Schäfer/Noack, § 9 Rn 8.
[617] Schäfer/Noack, § 9 Rn 8.

3. Weitere Auflösungsgründe bei einer Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist

 

Rz. 347

Eine Gesellschaft, bei der kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (atypische GbR),[618] wird nach § 729 Abs. 3 S. 1 BGB (in Nachbildung von § 131 Abs. 2 HGB alt) ferner – im Interesse eines Schutzes der Gläubiger vor masselosen und vermögenslosen Gesellschaften, für deren Verbindlichkeiten keine natürliche Person nach den §§ 721 ff. BGB haftet[619] – aufgelöst (Auflösung bei Masselosigkeit):

mit der Rechtskraft des Beschlusses, durch den die Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Mas...

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