Rz. 88

Für die Nachlassgestaltung ist die Rechtswahl vor allem aus folgenden Gründen von Bedeutung:

1. Durch die Rechtswahl lässt sich das Erbstatut fixieren. Ein späterer Umzug kann sich auf die Bestimmung des auf die Erbfolge anwendbaren Rechts nicht mehr auswirken. Insoweit wird Rechtssicherheit erreicht.
2. Mit der Rechtswahl stehen sämtliche Gestaltungsmöglichkeiten des gewählten Heimatrechts zur Verfügung. Das gilt nicht nur für die möglicherweise andersartige Ausgestaltung der Pflichtteilsrechte der Angehörigen (Kreis der Berechtigten, Art und Umfang der Berechtigung). Viele aus dem deutschen Erbrecht vertraute Gestaltungen (Testamentsvollstreckung, Vor- und Nacherbfolge etc.) sind in anderen Rechtsordnungen unbekannt oder schwächer ausgeprägt als im BGB. Teilweise ergeben sich andersartige Instrumente, die sich im Einzelfall als vorteilhafter erweisen (trust, güterrechtliche Gestaltungen etc.). Die Rechtswahl bietet also eine Ausweitung der Gestaltungsmöglichkeiten.
3. Hat der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder einen Teil seines Vermögens in einem Drittstaat und geht dieser von der zwingenden Geltung des dortigen Rechts aus, so führt die Ausübung der Rechtswahl zu einem Entscheidungsdissens. Gehört der Erblasser aber einem Drittstaat an, der zwingend das Heimatrecht des Erblassers gelten lässt (wobei es unbeachtlich ist, ob dies auf der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit beruht oder ob sich im konkreten Fall die Geltung des Heimatrechts aus einer andersartigen Anknüpfung ergibt), so würde die Wahl des in diesem Staat geltenden Rechts dazu führen, dass aus Sicht der Mitgliedstaaten und des Heimatstaates die gleiche Rechtsordnung zur Anwendung gelangt. Mit der Rechtswahl lässt sich mithin auch ein internationaler Entscheidungseinklang erreichen.
4. Für die Nachlassgestaltung ist darüber hinaus zu beachten, dass die Rechtswahl sich nicht ausschließlich auf die Rechtsanwendung auswirkt. Nur dann, wenn der Erblasser nach Art. 22 EuErbVO als das auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen gewählte Recht das Recht eines Mitgliedstaates gewählt hat, können die Hinterbliebenen gem. Art. 5 Abs. 1 EuErbVO vereinbaren, dass für Entscheidungen in Erbsachen ausschließlich ein Gericht oder die Gerichte dieses Mitgliedstaates zuständig sein sollen. Will ein ins Ausland gegangener Erblasser seinen im Heimatstaat gebliebenen Hinterbliebenen ermöglichen, eine Gerichtsstandsvereinbarung für Gerichte des Heimatstaates zu treffen, so muss er sein Heimatrecht wählen. Das gilt insbesondere dann auch für das unstreitige Nachlassverfahren, also die Durchführung eines Verfahrens zur Ausstellung eines Europäischen Nachlasszeugnisses oder eines Erbscheins nach BGB (folgt man der Ansicht, wonach auch die internationale Zuständigkeit zur Erbscheinserteilung durch die EuErbVO geregelt wird).

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