Rz. 53

Im deutschen Steuerrecht gibt es mehrere über zahlreiche Steuergesetze verteilte Vorschriften, die bei einem Wegzug einer natürlichen Person greifen können (siehe Rdn 56 ff.).

Vollzieht sich der Wechsel von der unbeschränkten zur beschränkten Einkommensteuerpflicht dabei innerhalb eines Veranlagungszeitraums,[71] sind nach § 2 Abs. 7 S. 3 EStG die während der beschränkten Steuerpflicht generierten Einkünfte in eine Veranlagung zur unbeschränkten Steuerpflicht einzubeziehen. Das hat insbesondere die für den Steuerpflichtigen nachteilige Folge, dass in dem entsprechenden Veranlagungszeitraum ausländische Einkünfte, die nach dem Wechsel zur beschränkten Steuerpflicht erzielt werden, nach § 32b Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 EStG im Rahmen des Progressionsvorbehalts einbezogen werden. Die Einbeziehung in die Veranlagung nach den für unbeschränkt Steuerpflichtige geltenden Vorschriften schließt auch die ansonsten nach § 50 Abs. 5 S. 1 EStG vorgesehene Abgeltungswirkung bei den dem Steuerabzug unterliegenden Einkünften (z.B. Kapitaleinkünfte) aus. Aufgrund dieser negativen Auswirkungen ist ein Wohnsitzwechsel zum Ende des Kalenderjahrs anzuraten.

 

Rz. 54

Im Hinblick auf die Wegzugsbesteuerung ist dabei zwischen einer persönlichen und einer gegenständlichen Entstrickung zu unterscheiden.[72]

Die persönliche Entstrickungsbesteuerung knüpft an den Wegzug natürlicher Personen an. Hierunter fallen etwa § 6 AStG (siehe nachfolgend Rdn 67 ff.) und § 1 Abs. 4 EStG (siehe nachfolgend Rdn 56 ff.). Insbesondere § 6 AStG ist hier von Belang. Diese 1972 auf den Wegzug des Kaufhaus-Milliardärs Helmut Horten in die Schweiz im Rahmen der Neuschaffung des AStG eingeführte Norm ist die am deutlichsten auf eine Besteuerung natürlicher Personen anlässlich deren Wegzugs zielende Vorschrift, die jedoch insbesondere aufgrund europarechtlicher Erfordernisse einem stetigen Wandel unterliegt.

 

Rz. 55

Die gegenständliche Entstrickungsbesteuerung knüpft dagegen an den grenzüberschreitenden Transfer von Wirtschaftsgütern oder Betrieben an. Hierunter fallen etwa § 4 Abs. 1 S. 4 EStG i.V.m. § 4g EStG und § 12 Abs. 1 KStG.

Durch das SEStEG vom 13.12.2006[73] wurde mit § 4 Abs. 1 S. 3 EStG[74] und § 12 Abs. 1 KStG[75] erstmals eine allgemeine gegenständliche Entstrickungsbesteuerung im Hinblick auf stille Reserven eines Wirtschaftsguts, das aus der Gewinnermittlung ausscheidet, eingeführt, was einem Paradigmenwechsel gleichkommt. Die von Schaumburg bereits 2003[76] vorhergesagte Einführung eines allgemeinen Entstrickungsgrundsatzes durch den Gesetzgeber (im Hinblick auf Betriebsvermögen) ist somit eingetreten. Lediglich im Bereich des Privatvermögens besteht daher (noch) keine allgemeine Entstrickungsbesteuerung.[77]

[71] Nach § 25 Abs. 1 EStG entspricht der Veranlagungszeitraum dem Kalenderjahr.
[72] Vgl. Wacker, IStR 2017, 926.
[73] BGBl I 2006, 2786.
[74] Zum Konkurrenzverhältnis der beiden Vorschriften siehe Wassermeyer, IStR 2007, 833. Die gegenständliche Entstrickung soll im Rahmen dieser auf den Wegzug natürlicher Personen zugeschnittenen Arbeit nur am Rande behandelt werden, siehe nachfolgend Rdn 121.
[75] Die Entstrickung bei Körperschaften soll im Rahmen dieser auf natürliche Personen zugeschnittenen Arbeit nicht weiter vertieft werden, siehe stattdessen Blumenberg/Schäfer, Das SEStEG, S. 65 ff.
[76] Aigner, IStR 2003, 154, der hierbei Schaumburg zitiert.
[77] Die Beteiligung inländischer Gesellschafter an ausländischen Zwischengesellschaften nach §§ 5, 7 ff. AStG soll hier außer Betracht bleiben.

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