Rz. 16

Eine Steuergestaltung ist nach Ansicht des BMF dann "grenzüberschreitend, wenn sie mehr als einen EU-Mitgliedstaat oder mindestens einen EU-Mitgliedstaat und einen oder mehrere Drittstaaten betrifft (§ 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 AO). Der Begriff der Betroffenheit ist weit auszulegen und setzt keine steuerliche Auswirkung voraus. Ob die Steuergestaltung grenzüberschreitend ist, richtet sich darüber hinaus grundsätzlich nach der Ansässigkeit oder der Tätigkeit der Beteiligten, d.h. des Nutzers, der anderen an der Gestaltung Beteiligten und ausnahmsweise des Intermediärs (wenn er über die Tätigkeiten i.S.d. § 138d Abs. 1 AO hinaus an der Steuergestaltung beteiligt ist)."[28]

Hierzu muss nach Einschätzung des BMF mindestens einer der folgenden Konstellationen vorliegen:

nicht alle an der Gestaltung Beteiligten sind im selben Steuerhoheitsgebiet ansässig;
einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten sind gleichzeitig in mehreren Steuerhoheitsgebieten ansässig;
einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet über eine dort gelegene Betriebstätte einer Geschäftstätigkeit nach und die Gestaltung ist Teil der Geschäftstätigkeit der Betriebstätte oder macht deren gesamte Geschäftstätigkeit aus;
einer oder mehrere der an der Gestaltung Beteiligten gehen in einem anderen Steuerhoheitsgebiet einer Tätigkeit nach, ohne dort ansässig zu sein oder eine Betriebstätte zu begründen.[29]
 

Rz. 17

Die steuerliche Ansässigkeit i.S.v. § 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. a und b AO bestimmt sich nach Auffassung des BMF "nach dem nationalen Recht der jeweils beteiligten Steuerhoheitsgebiete. Anknüpfungspunkte für eine Ansässigkeit einer natürlichen oder juristischen Person sowie einer Personengesellschaft, Gemeinschaft oder Vermögensmasse können Wohnsitz (vgl. § 8 AO), gewöhnlicher Aufenthalt (vgl. § 9 AO), Ort der Geschäftsleitung (vgl. § 10 AO), Sitz (vgl. § 11 AO) oder Staatsangehörigkeit sein."[30] Letzteres überrascht, da die Staatsangehörigkeit als Anknüpfungskriterium in den deutschen Steuergesetzen eher selten vorkommt.[31]

 

Rz. 18

Darüber hinaus gelten gem. § 138d Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Buchst. e AO auch solche Steuergestaltungen als grenzüberschreitend, die Auswirkungen auf den automatischen Informationsaustausch über Finanzkonten in Steuersachen nach dem gemeinsamen Meldestandard oder die Identifizierung der wirtschaftlichen Eigentümer haben können.[32]

 

Rz. 19

Eine grenzüberschreitende Steuergestaltung setzt zudem voraus, dass die Gestaltung ein sog. "bedingtes Kennzeichen" i.S.d. § 138e Abs. 1 AO oder ein "unbedingtes Kennzeichen" i.S.d. § 138e Abs. 2 AO aufweist.[33] Zu den bedingten Kennzeichen des § 138e Abs. 1 AO führt das BMF aus, dass weitere Voraussetzung für das Vorliegen einer grenzüberschreitenden Steuergestaltung sei, dass ein verständiger Dritter unter Berücksichtigung aller wesentlichen Fakten und Umstände vernünftigerweise erwarten kann, dass der Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile der Gestaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils i.S.d. § 138d Abs. 3 AO ist. Wird dies bejaht, sei der Relevanztest erfüllt.[34]

Der Mitteilungspflichtige kann zwar die Nachrangigkeit eines steuerlichen Vorteils dadurch hinreichend dokumentieren, dass er derart überwiegende außersteuerliche (insbesondere wirtschaftliche) Gründe für die konkrete Strukturierung einer Transaktion nachweist, durch die der (vermeintliche) steuerliche Vorteil in den Hintergrund rückt. Das wird in der Praxis bei Wegzügen ins Ausland m.E. schwerfallen.

Anders als bzgl. § 42 Abs. 2 S. 2 AO reiche es laut BMF auch nicht aus, dass lediglich beachtliche außersteuerliche Vorteile aufgezeichnet werden. "Es muss vielmehr hinreichend dokumentiert werden, dass der steuerliche Vorteil kein Hauptvorteil der Gestaltung ist. Der steuerliche Vorteil ist insbesondere kein Hauptvorteil der Steuergestaltung, wenn der Steuervorteil nur ein Reflex oder eine Randerscheinung ist. Zur Dokumentation können entsprechende Nachweise insbesondere durch die Unternehmenskorrespondenz, Memos oder Beschlüsse erbracht werden."[35]

[28] Rn 31 des BMF-Schreibens v. 29.3.2021.
[29] Rn 31 des BMF-Schreibens v. 29.3.2021.
[30] Rn 32 des BMF-Schreibens v. 29.3.2021.
[31] Eine der wenigen Ausnahmen ist § 2 Abs. 1 S. 2 lit. b ErbStG.
[32] Rn 37 des BMF-Schreibens v. 29.3.2021.
[33] Vgl. hierzu Rn 40 ff. des BMF-Schreibens v. 29.3.2021.
[34] Rn 107 des BMF-Schreibens v. 29.3.2021.
[35] Rn 108 des BMF-Schreibens v. 29.3.2021.

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