Rz. 141

Bei einer vergleichsweisen Einigung besteht der Vergleich zumeist aus mehreren Punkten. Kommt es zu einer solchen vergleichsweisen Einigung zwischen den Parteien, sind sämtliche Punkte beim Gegenstandswert des Vergleiches zu berücksichtigen, die der Vergleich regelt. Hier muss also bei jedem einzelnen Regelungsgegenstand geprüft werden, ob ihm ein gesonderter Wert zukommt.

 

Rz. 142

Ob der im Vergleich geregelte Punkt rechtshängig ist, ist für die Frage des Vergleichswertes unerheblich. Die Festsetzung des Vergleichsmehrwertes setzt jedoch nach überwiegender Ansicht voraus, dass die Parteien zumindest außergerichtlich über die mitverglichenen Gegenstände gestritten haben oder eine Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird.[150] Dabei soll ggf. jedoch ein großzügiger Maßstab anzusetzen sein.[151]

Diese Ansicht ist falsch, weil sie die Voraussetzungen für das Entstehen der Einigungsgebühr mit der Frage, nach welchem Wert sich die Gebühr bemisst, vermengt. Dieses Vermengen wird dem gesetzlichen Regelungssystem nicht gerecht. Es führt auch zu unangemessenen Ergebnissen. Eine Einigung über eine Abmahnung hat einen anderen Regelungswert als eine Einigung über die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses. Nach anderer Ansicht reicht für jede Ungewissheit, dass die Gegenseite diesen Anspruch nicht anerkennt oder erfüllt.[152] Dieses ist vorzugswürdig. Das LAG Berlin-Brandenburg[153] hat dem gegenüber für eine Ausgleichsklausel einen Vergleichsmehrwert von 10 % der im streitstehenden Forderung berücksichtigt, ohne dieses näher zu begründen. Zwar geht das Gericht im Ansatz korrekt davon aus, dass Ausgangspunkt der Bestimmung eines Vergleichsmehrwert das wirtschaftliche Interesse der Beteiligten ist. Bei hohen Forderungen, die durch die Ausgleichsklausel erledigt wird (im dortigen Verfahren 800.000 EUR), hat dieses jedenfalls für den Forderungsschuldner jedoch sehr hohe wirtschaftliche Bedeutung, so dass auch ein erheblicher Anteil der Forderung in den Vergleichsmehrwert einfließen sollte.

 

Rz. 143

Eine andere Frage ist es, ob für alle geregelten Punkte Deckungsschutz bei der Rechtsschutzversicherung besteht. Zu § 5 Abs. 3b ARB 94 hatte der BGH mit Urt. v. 14.9.2005 entschieden: Endet ein mit Rechtsschutz geführter Rechtsstreit durch Vergleich, hat der Versicherer dessen Kosten in Höhe der Misserfolgsquote des Versicherungsnehmers auch insoweit zu tragen, als in den Vergleich weitere, bisher nicht streitige Gegenstände einbezogen worden sind, wenn der Versicherer auch für sie Rechtsschutz zu gewähren hat und sie rechtlich mit dem Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits zusammenhängen.[154] Die Rechtsschutzversicherer haben bereits mit Änderungen ihrer ARB reagiert. Teilweise tragen sie Kosten im Rahmen einer einverständlichen Regelung für Forderungen, die selbst nicht streitig waren oder Kosten, die auf den nicht versicherten Teil von Schadensfällen entfallen, nicht.[155] Es empfiehlt sich also bei jedem rechtsschutzversicherten Mandat zu prüfen, welche Fassung der ARB Anwendung finden.

 

Rz. 144

Hilfsanträge erhöhen den Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren, wenn sie vergleichsweise mit geregelt werden, § 45 Abs. 1 S. 2, Abs. 4 GKG. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn die Hilfsanträge denselben Gegenstand betreffen, § 45 Abs. 1 S. 3 GKG. Es ist unerheblich, ob eine Rechtshängigkeit mit dem Hauptanspruch oder mit dem Hilfsantrag gegeben war. Der Hauptanspruch wird mit dem hilfsweise geltend gemachten Anspruch zusammengerechnet (§ 45 Abs. 1 S. 2 GKG). Für die Anwaltsgebühren ist der Gegenstandswert für die Gerichtsgebühren, falls er den Hilfsantrag berücksichtigt, nach § 23 Abs. 1 S. 1 oder S. 3 RVG maßgeblich. Bleibt der Hilfsantrag für die Gerichtsgebühren unberücksichtigt, ist der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit nach § 33 Abs. 1 RVG auf Antrag selbstständig vom Gericht festzusetzen.[156]

 

Rz. 145

Den Parteien und den hinter ihnen stehenden Rechtsschutzversicherungen ist auch unter Kostengesichtspunkten damit gedient, in einem umfassenden Vergleich ihre Rechtsbeziehungen soweit wie möglich zu regeln. Die Parteien ersparen sich damit zukünftige Auseinandersetzungen und können sich um ihre Zukunft kümmern. Rechtsschutzversicherungen ersparen sich weitere Schadensfälle. Den Parteien und ihren Rechtsschutzversicherungen kommt die Degression bei den gesetzlichen Gebühren zu gute. Ein Verfahren mit einem Vergleichsmehrwert ist kostengünstiger als zwei Angelegenheiten mit geringen Werten.

 

Rz. 146

Mit der Reform des RVG zum 1.1.2021ist für den Vergleichsmehrwert bei der Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch Klarheit geschaffen worden. Der Streit, ob von der Erstreckung der PKH auf den Vergleichsmehrwert auch die Verfahrensdifferenzgebühr nach 3101 Nr. 2 VV umfasst war, ist damit beigelegt. Nach der Neufassung sind alle Gebühren von der Erstreckung der Prozesskostenhilfe umfasst.

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