Rz. 1

Der Streitwert ist in der arbeitsrechtlichen Angelegenheit bedeutsam für das Einlegen von Rechtsmitteln und für die Berechnung von Gerichts- und Anwaltskosten. Der im erstinstanzlichen Urteil festgesetzte Streitwert (§ 61 Abs. 1 ArbGG) ist nur für das Einlegen einer Berufung bedeutsam.[1] Für die Berechnung von Gerichts- und Anwaltskosten hat der Urteilsstreitwert im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Bindungswirkung, § 62 S. 2 GKG. Die arbeitsgerichtliche Wertfestsetzung für die Kosten erfolgt nach § 63 Abs. 2 S. 2 GKG, also nur, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält. Dass die Festsetzung eines Streitwertes, wenn sie im arbeitsgerichtlichen Verfahren erfolgt, für Gerichtskosten auch für die Anwaltskosten maßgeblich ist, folgt aus § 23 Abs. 1 RVG.

 

Rz. 2

Bestimmt sich der Gegenstandswert im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften gelten diese Wertvorschriften entsprechend, wenn der Rechtsanwalt nur außergerichtlich tätig war und der Gegenstand der Tätigkeit auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte, § 23 Abs. 1 S. 3 RVG. In der Praxis üblich und regelmäßig ausreichend sind Streitwertabsichtserklärungen der Beteiligten. Nach zutreffender Ansicht des LAG Niedersachsen[2] ist dabei in einer Streitwertabsichtserklärung kein Antrag auf eine Streitwertfestsetzung zu sehen und entsprechende Beschlüsse erster Instanz aufzuheben.

 

Rz. 3

In einer Angelegenheit werden die Werte verschiedener Anträge (§ 61 GKG) bzw. Gegenstände (§ 22 Abs. 1 S. 1 RVG) addiert und Gebühren nur einmal berechnet. In jeder gesonderten Angelegenheit werden separat Gebühren abgerechnet. Seit 2013 gibt es für die Streitwerte, wie auch in anderen Gerichtsbarkeiten, einen Streitwertkatalog,[3] der dazu dienen soll, eine Vereinheitlichung der Rechtsprechung herbeizuführen (siehe auch Anhang § 9 Rdn 1).[4] Seit 2014 ist der Streitwertkatalog bereits zweimal (2016 und 2018) überarbeitet worden. Der Katalog soll ungefähre Richtwerte für besonders häufig auftretende arbeitsrechtliche Fälle enthalten. Für den im Arbeitsrecht tätigen Anwalt bedeutet eine solche Tabelle, dass er ohne größeren Aufwand die seiner Kostenrechnung zugrunde liegenden Streitwerte gegenüber seinem Mandaten oder dessen Rechtsschutzversicherung begründen kann. Außerdem kann er dem Mandanten schon zu Beginn des Mandates auf Nachfrage den zu erwartenden Streitwert nennen. Dieses ermöglicht es auch ein Kostenrisiko besser zu beziffern. Problematisch sind allerdings nur fiskalisch zu begründende Beschränkungen, die dem anwaltlichen Arbeitsaufwand nicht gerecht werden, wie dies bei Vergleichsmehrwerten und in der Praxis bei mitverglichenen Hilfsanträgen entgegen § 45 Abs. 4 GKG geschieht. Außerdem kann der Streitwertkatalog aufgrund einer fehlenden gesetzlichen Grundlage nicht die alleinige Begründung sein oder eine notwendige Subsumtion des Sachverhaltes ersetzen. Es bedarf weiterhin der Entscheidung im Einzelfall. Eine Verbindlichkeit des Streitwertkataloges ist nicht vorgesehen.[5] Die faktische Wirkung ist aber gesetzesähnlich. Die fehlende Mitwirkung von Vertretern der Rechtsanwälte ist ein großes Manko des Verfahrens und des Ergebnisses.[6] Dieser Einschätzung kann sich nur angeschlossen werden.

[1] Vgl. Schaefer/Göbel, § 1 Rn 12 ff.
[2] n.v.
[3] Dazu ausführlich und zu Recht kritisch Schäder/Weber; Praxiskommentar zum Streitwertkatalog Arbeitsrecht, 2. Auflage 2019.
[4] Die aktuelle Fassung ist im Anhang zu finden. Außerdem wurde der Streitwertkatalog im Folgenden eingearbeitet. Die aktuelle Version kann unter https://www.brak.de/w/files/newsletter_archiv/berlin/2018/streitwertkatalog.pdf eingesehen werden. Die Ausführungen in diesem Werk beziehen sich auf die Fassung vom 9.2.2018.
[5] Siehe Anhang § 9 Rdn 1 Vorbemerkung (a.E.): "Er beansprucht jedoch keine Verbindlichkeit."
[6] Schäder/Weber, Praxiskommentar Streitwertkatalog Arbeitsrecht, Vorb. Rn 3, 13.

I. Ausgangslage

 

Rz. 4

Nach § 15 Abs. 1 RVG entgelten die Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwaltes, vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit. Damit stellt sich die Frage, was unter einer Angelegenheit zu verstehen ist. Das RVG bestimmt diesen Begriff nicht ausdrücklich. Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff. Da die pauschalen Gebühren die gesamte Tätigkeit des Anwaltes von der Erteilung des jeweiligen Auftrages bis zu dessen Erledigung abgelten, wird deutlich, dass es wesentlich auf Art und Umfang des Auftrages des Anwaltes ankommt.[7] Der Begriff der Angelegenheit ist auch weiterhin gesetzlich nicht definiert. Es gibt keine allgemeine Richtlinie, wann dieselbe Angelegenheit und wann verschiedene Angelegenheiten vorliegen. Es obliegt vielmehr der Rechtsprechung und dem Schrifttum diesen Begriff auszufüllen.[8] Nach allgemeiner Auffassung liegt eine Angelegenheit regelmäßig vor, wenn:

ein Auftrag vorliegt,
ein Rahmen der Tätigkeit und
ein innerer Zusammenhang besteht.[9]
 

Rz. 5

E...

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