Rz. 6

Durch das Umgangsrecht soll der nicht betreuende Elternteil die Möglichkeit erhalten, sich fortlaufend durch Begegnungen und gegenseitige Aussprache von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung einen persönlichen Eindruck zu verschaffen.[13] Auf diesem Weg werden gleichzeitig die verwandtschaftlichen und emotionalen Bindungen aufrechterhalten und vertieft, so dass einer ansonsten drohenden wechselseitigen Entfremdung entgegen gewirkt werden kann. Zudem sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass es für den Fall des Ausfalls des betreuenden Elternteils regelmäßig dem Kindeswohl entspricht, dass der andere Elternteil die Betreuung übernimmt. Diese Erwägungen gelten unabhängig davon, ob ein Elternteil von der Personensorge ausgeschlossen ist oder die Elternteile gemeinsam sorgeberechtigt sind, das Kind sich aber grundsätzlich in der Obhut eines Elternteils befindet.[14]

 

Rz. 7

Im Gegenzug dient das Umgangsrecht aber auch dazu, dem Kind die Möglichkeit zu geben, sich ein auf persönlichen Erfahrungen beruhendes Bild von dem nicht betreuenden Elternteil und dessen Ansichten zu machen.[15] Für eine gedeihliche seelische Entwicklung des Kindes und die psychische Verarbeitung der Familienauflösung ist es von essentieller Bedeutung, dass das Kind nicht nur den betreuenden Elternteil als Bindungspartner hat, sondern auch zum anderen Elternteil die Beziehung so gut wie möglich aufrechterhalten kann.[16] Das Umgangsrecht dient der emotionalen Verbundenheit und dem Liebesbedürfnis von Elternteil und Kind in besonderem Maße.[17] Selbst wenn das Umgangsrecht nicht spannungsfrei ausgeübt werden kann, gehört zur Entwicklung eines Kindes auch, dass es mit der Realität konfrontiert wird, etwa in der Gestalt eines zum Umgang berechtigten Elternteils, und nicht nur in überbehüteter und allein auf die Interessen eines Elternteils ausgerichteten Weise aufwächst, der den Umgang ablehnt.[18]

Unerheblich sind hierbei die Umstände, die ggf. zum Verlust des Sorgerechts geführt haben, ebenso die Gründe für das Scheitern der Ehe oder Partnerschaft.[19]

[14] OLG Köln FamRZ 1997, 1284.
[15] OLG Köln FamRZ 1998, 1463.
[16] OLG Brandenburg FamRZ 2002, 974; OLG Bamberg FamRZ 2000, 46.
[17] BVerfG FamRZ 2010, 1622; FamRZ 2002, 809; BGH FamRZ 1984, 778.
[18] OLG Saarbrücken, NJW-RR 2013, 452; OLG Karlsruhe FamRZ 1990, 901.
[19] OLG Hamm FamRZ 1996, 424.

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