Rz. 47

Eine lückenlose Erfassung sämtlicher erbrechtlicher Verfügungen ist absolut unerlässlich. Hierzu zählen selbstverständlich auch alle bereits in der Vergangenheit getroffenen Verfügungen, selbst wenn der Mandant bzw. der Testator davon ausging, dass diese durch eine jüngere Verfügung aufgehoben oder ersetzt wurden. Im Einzelfall kann sich aus einem früheren Testament oder Erbvertrag eine Einschränkung der Testierfreiheit ergeben mit der Folge, dass die jüngeren Verfügungen von Todes wegen überhaupt nicht wirksam werden.

 

Rz. 48

Hat der Testator beispielsweise ein gemeinschaftliches Testament errichtet, ist dieses grundsätzlich hinsichtlich der wechselbezüglichen Verfügungen bindend, so dass die Errichtung einer neuen Verfügung von Todes wegen nur nach Errichtung eines gemeinschaftlichen Aufhebungstestaments der Ehegatten oder nach einem einseitigen notariellen Widerruf[23] durch den Testator möglich ist.

 

Rz. 49

Auch wenn sich der Mandant bereits in einem Erbvertrag gebunden hat und kein Rücktrittsrecht vorbehalten wurde, kann die Verfügung nicht mehr einseitig aufgehoben werden. Dasselbe gilt hinsichtlich wechselbezüglicher testamentarischer Bestimmungen, wenn der erste, in einem gemeinschaftlichen Testament geregelte Erbfall bereits eingetreten ist und die Erbschaft angenommen wurde. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Erbvertrag oder das gemeinschaftliche Testament einen sogenannten Änderungsvorbehalt vorsieht, der es dem überlebenden Ehegatten bzw. dem überlebenden Vertragsteil ermöglicht, noch nachträgliche Änderungen vorzunehmen.

 

Rz. 50

Neben der Möglichkeit auszuschlagen, kann sich der Testator in bestimmten Fällen (vgl. etwa §§ 2078, 2079 BGB) auch durch eine Anfechtung von der Bindungswirkung befreien und auf diese Weise die Testierfreiheit wieder erlangen.[24]

 

Rz. 51

Hat ein Erblasser mehrere Testamente hinterlassen, ohne jeweils das zeitlich ältere Testament aufzuheben, bestehen oftmals Schwierigkeiten, den endgültigen letzten Willen zu ermitteln. In diesem Zusammenhang sind stets die Regelungen der §§ 2253 ff. BGB zu beachten. Sinnvollerweise sollten hier die einzelnen Verfügungen mit ihrem jeweiligen Inhalt in eine zeitliche Reihenfolge gebracht werden, um auf diese Weise einen Überblick über die jeweils gewollten Anordnungen zu gewinnen. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang der Vorschrift des § 2258 BGB zu, der zufolge ein früheres Testament stets insoweit als aufgehoben anzusehen ist, als es einer später errichteten letztwilligen Verfügung widerspricht.

[24] Siehe näher MüKo/Leipold, § 2078 Rn 1 ff.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge