Rz. 11

Der vorübergehende Boom bei der Gründung von englischen private limited companies durch deutsche Gründer führte zu einer unerwarteten Renaissance des europäischen Zweigniederlassungsrechts. Die zahlreichen englischen private limited companies mit Satzungssitz im Vereinigten Königreich und Verwaltungssitz in Deutschland mussten in Deutschland das Bestehen einer inländischen Zweigniederlassung zum Handelsregister anmelden. Damit kamen die deutschen Unternehmensgründer, die mit ihrer Wahl der englischen private limited company an sich aus dem deutschen Gesellschaftsrecht flüchten wollten, mit diesem doch wieder in Berührung. Dabei zeigte sich, dass die Errichtung der inländischen Zweigniederlassung noch sehr viel aufwändiger und komplizierter ist als die Gründung einer deutschen GmbH (gegen die man sich gerade entschieden hatte).

 

Rz. 12

In der Praxis kam es dabei zu zahllosen Streitigkeiten zwischen englischen private limited companies und deutschen (Register-)Gerichten[12] und (Finanz-)Behörden. Ursache dafür war vor allem, dass das (für die ausländische Hauptniederlassung maßgebende) englische Gesellschaftsrecht und das (für die inländische Zweigniederlassung) geltende deutsche Handelsregisterrecht nicht aufeinander abgestimmt waren (und sind). Beides passte (und passt) oft nicht zusammen und führte daher zu teilweise kuriosen Auseinandersetzungen. An dieser Stelle sei lediglich erinnert an die endlosen Diskussionen um die Zulässigkeit der Befreiung von den Beschränkungen von § 181 BGB bei dem director einer englischen private limited company,[13] die Fragen der Firmierung der Zweigniederlassung,[14] die (mitunter teure) Eintragung des gesamten Wortlauts des Unternehmensgegenstands der englischen Gesellschaft im Handelsregister[15] oder die persönliche Abgabe von Versicherungen der directors zu etwaigen Bestellungshindernissen.[16] Diese Probleme gehören zum Glück (weitestgehend) der Vergangenheit an.

 

Rz. 13

Die massenhafte Neugründung von englischen Scheinauslandsgesellschaften ist heute Rechtsgeschichte. Dies gilt auch für die Eintragung von deren inländischen Zweigniederlassungen im deutschen Handelsregister. Die komplexen Regelungen zum Recht der inländischen Zweigniederlassungen von ausländischen Kapitalgesellschaften werden in der Praxis wieder viel an Bedeutung verlieren. Der frühere Rechtszustand (vor 2000) kehrte insoweit zurück. Vor diesem Hintergrund sollen an dieser Stelle (anders als noch in der Vorauflage, auf die insoweit verwiesen wird) nicht mehr die rechtlichen Probleme der Handelsregisteranmeldung bei der Errichtung einer neuen inländischen Zweigniederlassung bei einer englischen private limited company erörtert werden. Das Thema hat sich durch den Brexit praktisch erledigt. Im Übrigen kann insoweit auf die Darstellungen zum Recht der Zweigniederlassungen Bezug genommen werden.[17]

Noch weitgehend ungeklärt ist allerdings, wie die noch bestehenden Gesellschaften und deren Zweigniederlassungen jetzt rechtlich zu behandeln sind.

[12] Siehe dazu aus der Sicht einer (deutschen) Registerrichterin etwa Kloße-Mokroß, DStR 2005, 1013.
[13] Siehe aus der umfangreichen Rspr. etwa OLG Dresden, Beschl. v. 25.1.2016, 17 W 21/16, GmbHR 2016, 484, ausführlich dazu Heckschen/Strnad, NotBZ 2016, 469; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 19.2.2008, 20 W 263/07, DB 2008, 1488 = GmbHR 2009, 214; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 28.7.2006, 20 W 191/06, DB 2006, 1949 = ZIP 2006, 1673 = BB 2006, 2152 = GmbHR 2006, 1156 mit Anm. Werner = NZG 2006, 830; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.2.2006, 3 Wx 210/05, NZG 2006, 317 = ZIP 2006, 806 = GmbHR 2006, 548 = DB 2006, 1102; OLG München, Beschl. v. 17.8.2005, 31 Wx 049/05, DB 2005, 1955 = GmbHR 2005, 1302 = NZG 2005, 850 = ZIP 2005, 1826 = EWiR 2005, 765 (Just); OLG Celle, Beschl. v. 14.4.2005, 9 W 14/04, GmbHR 2005, 1303 = DStR 2006, 199 = NZG 2006, 273.
[14] Siehe OLG Düsseldorf, Beschl. v. 22.2.2017, I 3 Wx 145/16, ZIP 2017, 879 = BB 2017, 1235 = GmbHR 2017, 586 = NZG 2017, 624 = EWiR 2017, 621 (Knauthe).
[15] Siehe dazu etwa OLG Thüringen, Beschl. v. 9.9.2005, 6 W 302/05, DNotZ 2006, 153; OLG Hamm, Beschl. v. 28.6.2005, 15 W 159/05, GmbHR 2005, 1130 = DStR 2005, 1784 = ZIP 2005, 1871 = NZG 2005, 930 = EWiR 2005, 889 (Römermann).
[16] Zur Vereinbarkeit von § 13g HGB mit Europarecht siehe die (frühere) Vorlage an den EuGH, BGH, Beschl. v. 14.5.2019, II ZB 25/17 (All in One Star Ltd.), GmbHR 2019, 821 mit Anm. W. Meilicke = DB 2019, 1495 = ZIP 2019, 1277 = EWiR 2019, 485 (de Raet) = NZG 2019, 775 = NotBZ 2019, 420. Ausführlich dazu Bayer/Schmidt, J., BB 2019, 2178 (2191 ff.); Kumpan/Pauschinger, EuZW 2020, 909; Otte-Gräbener, NZG 2019, 934; Stiegler, GmbHR 2019, 869. – Vorinstanz: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 8.8.2017, 20 W 229/14 (Az. BGH II ZB 25/17), NZG 2017, 1431 = BB 2018, 144 mit Anm. Otte-Gräbener = GmbHR 2018, 259 = ZIP 2018, 686 = EWiR 2018, 269 (Just/Müller). – Im Hinblick auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union hat der BGH den V...

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