Rz. 442

Die Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs setzt die Beendigung der Vereinbarung über die gemeinsame Betriebsführung durch die beteiligten Unternehmen voraus und geht in aller Regel mit einer Spaltung des zuvor einheitlich geführten Betriebs einher.[507]

 

Rz. 443

Allein die Beendigung der Vereinbarung über die gemeinsame Betriebsführung als solche führt noch nicht zu Änderungen auf betrieblicher Ebene. Geht daher die Beendigung der Vereinbarung über die gemeinsame Betriebsführung ausnahmsweise nicht mit einer Betriebsspaltung einher, wird die normative Wirkung der im Gemeinschaftsbetrieb geltenden Betriebsvereinbarungen nicht berührt.

 

Rz. 444

Führt etwa ein zuvor an einem Gemeinschaftsbetrieb beteiligtes Unternehmen diesen Betrieb alleine weiter, hat dies keine Änderung auf betrieblicher Ebene zur Folge, es scheidet lediglich ein Unternehmen aus der Betriebsführung aus.[508] Dies führt nicht zu einer Beeinträchtigung der Identität des Betriebs (selbst im engeren Sinne), so dass sogar der für den Gemeinschaftsbetrieb gewählte Betriebsrat im Amt bleibt.[509] Dann gelten auch die Betriebsvereinbarungen in dem fortbestehenden Betrieb normativ weiter.

 

Rz. 445

Dasselbe gilt im Falle der Einstellung der Geschäftstätigkeit eines der an einem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen bei Fortführung des Betriebs durch das/die andere Unternehmen. Auch in einem solchen Fall liegt keine Betriebsspaltung vor, die Identität des Betriebs (im engeren Sinne) bleibt erhalten.[510] Die Einstellung der Geschäftstätigkeit eines der an einem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen bei Fortführung des Betriebs wirkt vielmehr wie die Stilllegung eines Betriebsteils;[511] der Betriebsrat bleibt daher im Amt und die Betriebsvereinbarungen gelten normativ weiter.

 

Rz. 446

Geht die Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs hingegen mit einer Spaltung dieses Betriebs einher, liegt es nahe, für die Beantwortung der Frage, wann die in dem Gemeinschaftsbetrieb geltenden Betriebsvereinbarungen normativ weitergelten, auf die allgemeinen für Spaltungen entwickelten Grundsätzen zurückzugreifen.

 

Rz. 447

Das bedeutet: die Betriebsvereinbarungen gelten in den durch die Spaltung entstandenen Teileinheiten (Betriebsteilen) normativ weiter, solange diese Teileinheiten, die mit dem ursprünglichen Gemeinschaftsbetrieb teilidentisch sind, ihre Identität behalten. Dies ist insbesondere der Fall, wenn die an dem Gemeinschaftsbetrieb beteiligten Unternehmen "ihre" Betriebsteile als eigenständige Betriebe weiterführen.[512]

 

Rz. 448

In Bezug auf die Betriebsvereinbarungen, die bereits vor der Zusammenlegung der Betriebe bei Errichtung des Gemeinschaftsbetriebs in diesen galten und die während des Bestehens des Gemeinschaftsbetriebs nach dem oben Gesagten in ihren bisherigen Teilbereichen weitergelten, wird dabei lediglich wieder der vor Errichtung des Gemeinschaftsbetriebs bestehende Zustand wiederhergestellt.

 

Rz. 449

Das BAG hat sich mit den Auswirkungen der Spaltung eines Gemeinschaftsbetriebs infolge der Beendigung der gemeinsamen Betriebsführung auf die im Gemeinschaftsbetrieb geltenden Betriebsvereinbarungen bislang nur am Rande befasst. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2007 hat es die normative Weitergeltung einer Betriebsvereinbarung nach Auflösung eines etwaigen Gemeinschaftsbetriebs wohl zumindest für nicht grundsätzlich ausgeschlossen erachtet.[513] In der Entscheidung vom 25.4.2017 geht das BAG für den (dort offen gelassenen) Fall, dass im Zeitpunkt des Abschlusses einer Betriebsvereinbarung ein Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen bestand, davon aus, dass die Auflösung dieses etwaigen Gemeinschaftsbetriebs zum Verlust der Betriebs­identität und deshalb zur Beendigung der Betriebsvereinbarung geführt hätte. Es führt dazu – allerdings ohne weitere Begründung – aus: "Sollten die Beklagte und die H Gesellschaft mbH & Co. KG im Zeitpunkt des Abschlusses der BV 2004 einen Gemeinschaftsbetrieb geführt haben, wäre mit dessen Auflösung keine Betriebsidentität mehr anzunehmen und die BV 2004 faktisch beendet."[514]

 

Rz. 450

Es fällt schwer, diese Ausführungen in der Entscheidung vom 25.4.2017 mit der Rechtsprechung des BAG zu Betriebsteilübergängen, insbesondere mit der Entscheidung vom 18.9.2002[515] in Einklang zu bringen, nach der die Spaltung eines Betriebs gerade nicht zu einer Beendigung der normativen Geltung der Betriebsvereinbarungen führt, und zwar selbst dann nicht, wenn der Betriebsteil sodann auf ein fremdes Unternehmen übertragen wird.

 

Rz. 451

Wenn nach dieser Rechtsprechung schon der Erwerber, also ein fremdes Unternehmen, normativ an die Betriebsvereinbarungen gebunden ist, solange er den übertragenen Betriebsteil als eigenständigen Betrieb fortführt, muss dies erst recht gelten, wenn ein Gemeinschaftsbetrieb gespalten wird und ein an diesem beteiligtes Unternehmen einen Teil des gespaltenen Gemeinschaftsbetriebs (wieder) als eigenen Betrieb weiterführt. Denn anders als bei einer Betriebsspaltung mit nachfolgendem Betriebsteilübergang ...

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