Rz. 84

Auch der Zusammenschluss mehrerer Unternehmen zur gemeinsamen Betriebsführung i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 2 BetrVG sowie die Auflösung von Gemeinschaftsbetrieben kann Folgen für das Mandat des Betriebsrats haben.

a) Errichtung eines Gemeinschaftsbetriebs

aa) ohne Auswirkungen auf betrieblicher Ebene

 

Rz. 85

Wenn ein bereits zuvor bestehender Betrieb als Gemeinschaftsbetrieb weitergeführt wird und auf betrieblicher Ebene keine Änderung eintritt, hat dies keine Auswirkung auf das Betriebsratsmandat. Der Betrieb hat in diesem Fall keine Änderung seiner Identität erfahren. Zwar wurde ein Betriebsteil auf einen neuen Arbeitgeber übertragen, der bisherige und der neu hinzukommende Arbeitgeber führen jedoch die bestehende Organisation durch Bildung des Gemeinschaftsbetriebs fort. Es entsteht kein Übergangsmandat. Der bisherige Betriebsrat bleibt regulär im Amt, weil der Betrieb, für den er gewählt ist, als betriebsverfassungsrechtliche Einheit fortbesteht.[94]

 

Rz. 86

 

Beispiel

Die A-GmbH mit einem Betrieb, der aus den Abteilungen Produktion und Vertrieb besteht, überträgt die Vertriebsabteilung auf die neugegründete Sales-GmbH. Die A-GmbH und die Sales-GmbH bilden kraft Führungsvereinbarung einen gemeinsamen Betrieb am Standort.

Ein gemeinsamer Betrieb wird in § 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG für den Fall der Unternehmensspaltung ohne wesentliche Änderung der Betriebsorganisation vermutet.

[94] WHSS/Hohenstatt, D 76 (S. 461); DKKW/Buschmann, § 21a Rn 29; Maschmann, NZA-Beil, 2009, 32, 35; Rieble, NZA 2002, 233, 238.

bb) mit Auswirkungen auf betrieblicher Ebene

 

Rz. 87

Durch die Errichtung eines neuen Gemeinschaftsbetriebs aus bisher eigenständig geführten Betrieben mehrerer Unternehmen unter Abschluss einer Führungsvereinbarung oder gemäß der Vermutungsregel in § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG können die Ursprungsbetriebe ihre Identität verlieren mit der Folge, dass das reguläre Amt der Betriebsräte endet. Auch bei der Errichtung des Gemeinschaftsbetriebs ist eine Differenzierung denkbar zwischen dem Fall der Zusammenfassung unter Identitätsverlust aller beteiligten Betriebe und dem der Zusammenfassung mit Eingliederung unter Identitätsverlust nur des eingegliederten Betriebs.[95] Im Fall der Eingliederung bleibt dann – wie auch sonst (siehe Rdn 60 ff.) – das Regelmandat des Betriebsrats des aufnehmende Betriebs erhalten. Dieser vertritt ab sofort auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des aufgenommenen Betriebs. Das Mandat des Betriebsrats der eingegliederten Einheit erlischt.

 

Rz. 88

Sofern hingegen entweder im aufnehmenden Betrieb kein Betriebsrat existiert oder es sich nicht um einen Fall der Zusammenfassung ohne Eingliederung handelt, bei dem alle Betriebe ihre Identität verlieren, droht eine betriebsratslose Zeit, die durch die Anwendung von § 21a Abs. 2 BetrVG verhindert wird.[96] Es übt in der Folge der Betriebsrat des nach der Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer größten Betriebes das Übergangsmandat aus.

[95] So i.E. Rieble, NZA 2002, 233, 238.
[96] GK-BetrVG/Kreutz, § 21a Rn 97 (analoge Anwendung); Rieble, NZA 2002, 238 (unmittelbare Anwendung).

b) Auflösung eines Gemeinschaftsbetriebs

 

Rz. 89

Der Gemeinschaftsbetrieb wird durch Beendigung der Führungsvereinbarung aufgelöst.

aa) ohne Auswirkungen auf betrieblicher Ebene

 

Rz. 90

Allein die Beendigung der Führungsvereinbarung als solche muss noch keinen Einfluss auf die betriebliche Ebene haben. Hat es keine Auswirkungen, bleibt das reguläre Betriebsratsamt unberührt.

Das ist etwa der Fall, wenn einer von mehreren Arbeitgebern den bisherigen Gemeinschaftsbetrieb alleine weiterführt, z.B. weil die übrigen Arbeitgeber ihren Geschäftsbetrieb (etwa im Insolvenzverfahren) aufgeben.[97] Denn durch eine Veränderung in der Betriebsführung wird die betriebliche Organisationseinheit, für die der Betriebsrat gewählt ist, nicht berührt. Ebenso wie bei einer Stilllegung eines Betriebsteils oder einer Betriebseinschränkung, die grundsätzlich keinen Einfluss auf die Betriebsidentität haben, werden auch hier die betrieblichen Strukturen nicht verändert. Der Betriebsrat nimmt für die verbleibenden Arbeitnehmer bei unveränderter Organisationsstruktur auch nach Auflösung des Gemeinschaftsbetriebs weiterhin das reguläre Mandat wahr.

bb) mit Auswirkungen auf betrieblicher Ebene

 

Rz. 91

Wird ein Gemeinschaftsbetrieb dadurch aufgelöst, dass die Führungsvereinbarung beendet und die entstehenden Einheiten als Betriebe jeweils unter eigener Leitung weitergeführt werden, wird der Betrieb damit gespalten und es entsteht unter den Voraussetzungen des § 21a Abs. 1, 3 (analog) BetrVG das unternehmensübergreifende Übergangsmandat für alle aufgespaltenen Teile.[98]

 

Rz. 92

Sofern aus einem Gemeinschaftsbetrieb unter Beibehaltung der bisherigen Betriebsführungsgemeinschaft ein Teilbereich ausgegliedert wird und von einem der bisher beteiligten Unternehmen fortgeführt wird, handelt es sich um eine Abspaltung.[99] Der Betriebsrat behält sein reguläres Amt für den bestehen bleibenden Gemeinschaftsbetrieb.[100] Für den abgespaltenen Teil entsteht das Übergangsmandat.

[98] Fitting u.a., § 21a Rn 9a; DKKW/Buschmann, § 21a Rn 32; GK-BetrVG/Kreutz; § 21a Rn 94; 97 (analoge An...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge