Rz. 137

Streiten die Parteien über eine geschuldete Mehrvergütung für einen Nachtrag nach § 650c Abs. 1 und 2 BGB,[246] trägt der Unternehmer das Risiko, dass er – zunächst ohne Entgelt – eine Mehrleistung erbringen muss und die Klärung der Mehrvergütung erst in der Schlussrechnung erfolgt (bzw., dass er wegen der nicht gezahlten Abschlagsrechnung die Erbringung seiner eigenen Leistung verweigert, den Bauvertrag kündigt oder gegen den Besteller nach § 650d BGB gerichtlich vorgeht).[247] Hier soll ihm § 650c Abs. 3 BGB die Möglich­keit eröffnen, wenigstens einen Teil der geschuldeten Mehrvergütung in Gestalt einer Abschlagszahlung[248]  – in Form einer vorläufigen Pauschalierung (nach vereinfachter Berechnungsmethode) – geltend machen zu können.[249]

 

Rz. 138

§ 650c Abs. 3 BGB hat folgende Voraussetzungen:[250]

Der Unternehmer hat dem Grunde nach einen Anspruch auf eine Abschlagszahlung, aus

dem Ausgangsvertrag oder
gesetzlich nach § 632a BGB.
Der Unternehmer hat ein Angebot nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB (vorstehende Rdn 52 ff.) unterbreitet.
Die Parteien konnten keine einvernehmliche Einigung über die Mehrvergütung erzielen (und es ist auch zu keiner diesbezüglichen gerichtlichen Entscheidung gekommen).
 

Rz. 139

 

Nachschlagszahlung nach § 632a Abs. 1 BGB

Nach § 632a Abs. 1 S. 1 BGB kann der Unternehmer vom Besteller eine Abschlagszahlung in Höhe des Wertes der von ihm erbrachten und nach dem Vertrag geschuldeten Leistungen verlangen. Sind die Leistungen nicht vertragsgemäß, kann der Besteller gemäß § 632a Abs. 1 S. 2 BGB die Zahlung eines angemessenen Teils des Abschlags verweigern. Die Beweislast für die vertragsgemäße Leistung verbleibt bis zur Abnahme beim Unternehmer (so § 632a Abs. 1 S. 3 BGB). § 641 Abs. 3 BGB gilt nach § 632a Abs. 1 S. 4 BGB entsprechend. Die Leistungen sind gemäß § 632a Abs. 1 S. 5 BGB durch eine Aufstellung nachzuweisen, die eine rasche und sichere Beurteilung der Leistungen ermöglichen muss. § 632a Abs. 1 S. 1 bis 5 BGB gelten nach § 632a Abs. 1 S. 6 BGB auch für erforderliche Stoffe und Bauteile, die angeliefert oder eigens angefertigt und bereitgestellt sind, wenn der Besteller nach seiner Wahl Eigentum an den Stoffen oder Bauteilen übertragen oder entsprechende Sicherheit hierfür geleistet wird.

 

Rz. 140

 

Beachte:

§ 650c Abs. 2 BGB begründet zugunsten des Unternehmers keinen eigenständigen Anspruch, sondern erleichtert ihm nur die Berechnung der Höhe der Abschlagszahlung und den Nachweis.

[246] Dazu näher jurisPK-BGB/Leicht, § 650c BGB Rn 43 ff.
[247] So Oberhauser, Das neue Bauvertragsrecht, § 2 Rn 121.
[248] Zum Begriff der "Abschlagszahlung" Retzlaff, BauR 2017, 1791, 1806.
[249] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 57.
[250] Nach Palandt/Sprau, § 650c BGB Rn 10.

1. Die 80 %-Regelung

 

Rz. 141

Bei der Berechnung von

vereinbarten oder
gemäß § 632a BGB geschuldeten[251] Abschlagszahlungen

kann der Unternehmer nach § 650c Abs. 3 S. 1 1. Halbs. BGB (mangels vorgängiger Einigung) 80 % einer in seinem Angebot nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB (vorstehende Rdn 52 ff.) genannten Mehrvergütung[252] (auf der Grundlage eines von ihm erstellen Angebots über von ihm erbrachte oder gleichgestellte Mehrleistungen) ansetzen.

 

Rz. 142

Voraussetzung dafür ist aber gemäß § 650 Abs. 3 S. 1 2. Halbs. BGB, dass

sich die Parteien nicht über die Höhe geeinigt haben oder
keine anderslautende gerichtliche Entscheidung (d.h. für den Fall, dass der Besteller sich einer entsprechenden Abschlagszahlungsforderung gerichtlich erwehrt hat)

ergangen ist.

 

Rz. 143

 

Beachte:

Der Unternehmer kann also einen Mehrvergütungsanspruch dadurch selbst begründen, dass er ein Angebot nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB erstellt. Er kann damit die weitere Leistungsausführung nach § 320 BGB von der Zahlung des erhöhten Abschlagszahlungsanspruchs durch den Besteller abhängig machen – und gemäß § 650f BGB (Bauhandwerkersicherung) auch eine erhöhte Sicherheit fordern.[253]

Schwenker/Rodemann[254] monieren dies jedoch zu Recht: "Dass es einem Vertragspartner ermöglicht wird, durch ein selbst erstelltes Angebot (auch wenn es unzutreffend und überhöht ist) erhebliche Rechtswirkungen herbeizuführen, ist äußerst ungewöhnlich. Der Besteller kann Rechtsschutz in Anspruch nehmen, trägt also die Beweislast."[255]

 

Rz. 144

Dies verschafft dem Unternehmer während der Bauausführung einen "leicht zu ­begründenden vorläufigen Mehrvergütungsanspruch".[256] Wenn der Besteller die­sen Abschlag für überhöht erachtet, muss er gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen.

 

Rz. 145

 

Beachte:

Bei einer Berechnung der Abschlagszahlungen durch den Unternehmer nach § 650c Abs. 1 und 2 BGB kann dieser 100 % (§ 650c Abs. 3 BGB: 80 %) der für die Ausführung der Änderung erbrachten Leistung abrechnen.

[251] Das Tatbestandsmerkmal "geschuldet" weist darauf hin, "dass es sich um eine Änderung, die zu einem Mehrvergütungsanspruch berechtigt (bestehender Anspruchsgrund) handeln muss" und dass i.Ü. auch die Voraussetzungen einer Abschlagszahlung aufgrund vertraglicher Vereinbarung bzw. gemäß § 632a BGB erfüllt ...

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