Rz. 52

Der Unternehmer ist daher gemäß § 650b Abs. 1 S. 2 BGB verpflichtet, ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung[112] zu erstellen (1. Halbsatz – Verpflichtung des Unternehmers, wobei – so Schwenker/Rodemann[113]  – "eine Regelung zum erforderlichen Inhalt des Angebots fehlt").[114]

 

Rz. 53

Den Unternehmer trifft im Falle einer Änderung nach § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB ­(Änderung des vereinbarten Werkerfolgs nach § 631 Abs. 2 BGB) jedoch nur dann eine solche Verpflichtung (ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung zu erstellen) – ebenso wie er auch nach § 650b Abs. 2 S. 2 BGB nur dann verpflichtet ist, der Anordnung selbst Folge zu leisten (nachstehende Rdn 95) –, wenn ihm die Ausführung der Änderung "zumutbar" ist (2. Halbsatz – Zumutbarkeitskriterium, dazu noch nachstehende Rdn 64 ff.).[115]

 

Rz. 54

Speziell geregelte Leistungsverweigerungsrechte stehen dem Unternehmer dabei jedoch nicht zu.[116] Er kann sich aber auf die allgemeinen Leistungsverweigerungsrechte (§ 275 Abs. 2 und 3 BGB) berufen[117] (dazu noch nachstehende Rdn 67 f.).

 

Rz. 55

Sprau[118] plädiert dafür, die "Zumutbarkeit" – trotz des Wortlauts in § 650b Abs. 1 S. 2 BGB (nicht als Einrede, "die den Unternehmer nur wenn er sie begründet geltend macht von seiner Leistungspflicht nach II 1 befreit") – als Voraussetzung der Anordnung und damit der Vertragsänderung anzusehen.

 

Rz. 56

 

Beachte:

Die Pflicht des Unternehmers, im Falle einer ihm zumutbaren Änderung ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung[119] zu erstellen, besteht nicht, wenn ihm im Falle einer Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist (§ 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB), ohnehin kein Anspruch auf eine zusätzliche Vergütung zusteht (§ 650b Abs. 1 S. 5 i.V.m. § 650c Abs. 1 S. 2 BGB).[120]

 

Rz. 57

 

Beachte zudem:

"Da § 650b Abs. 2 BGB das Anordnungsrecht des Bestellers in zeitlicher Hinsicht bewusst an den Zugang des Änderungsbegehrens und nicht … an den Zugang des Angebots knüpft, liegt (es) nahe, dass der Besteller auch ohne Vorlage eines Angebotes die Änderung anordnen kann, sodass der Unternehmer durch die Nichtvorlage des Angebotes zwar die Erzielung des Einvernehmens, nicht aber die Anordnung nach 650b Abs. 2 BGB verhindern kann".[121]

 

Rz. 58

Die Erstellung des Angebots liegt i.Ü. der auch im eigenen Interesse des Unter­nehmers, da ohne ein von ihm unterbreitetes Angebot keine Grundlage für die Berechnung der Höhe der Abschlagszahlungen nach § 650c Abs. 3 S. 1 BGB (nachstehende Rdn 137 ff.) besteht.[122]

 

Rz. 59

Dabei trifft § 650b BGB eine Differenzierung in Bezug auf die Verpflichtung des Unternehmers, die Änderung durchzuführen, nämlich danach, ob eine

Änderung des vereinbarten Werkerfolgs nach § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB oder ob eine
Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist gemäß § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB,

in Rede steht.

 

Rz. 60

Der Unternehmer soll im Vorfeld einer vom Besteller begehrten oder angeordneten Änderung Gelegenheit haben, seine daraus resultierenden Mehrkosten in Gestalt eines Nachtragsangebots geltend zu machen. Darüber müssen die Vertragspartner dann verhandeln[123] (um vorrangig Einvernehmen über die Änderung und die Auswirkungen der Änderung auf die vom Besteller dann zu leistende Mehr- oder Mindervergütung zu erzielen).[124]

 

Rz. 61

Die Verpflichtung des Unternehmers zur Erstellung des Angebots (als Grundlage der Verhandlungen und ggf. zur Vertragsanpassung nach § 650b Abs. 1 und 2 BGB) ist Nebenpflicht des Bauvertrags (i.S.v. § 241 Abs. 2 BGB), deren Verletzung ggf.

einen Schadensersatzanspruch (§ 280 Abs. 1 BGB) bzw.
eine Kündigung (§ 648a BGB) des Bauvertrags

nach sich ziehen kann.[125]

 

Rz. 62

Bei fehlender Zumutbarkeit im Falle einer "Änderung des vereinbarten Werkerfolgs" (i.S.v. § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) muss der Unternehmer dem Besteller weder

ein Angebot über die Mehr- oder Mindervergütung nach § 650b Abs. 1 S. 2 BGB unterbreiten noch
einer entsprechenden Änderungsanordnung des Bestellers nach § 650b Abs. 2 BGB (nachstehende Rdn 78 ff.) Folge leisten.
 

Rz. 63

In Bezug auf § 650b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BGB (Änderung, die zur Erreichung des vereinbarten Werkerfolgs notwendig ist) hat der Gesetzgeber hingegen keine ausdrückliche gesetzliche Einschränkung der Leistungspflicht des Unternehmers vorgenommen.

 

Rz. 64

Die "(Un-)Zumutbarkeit" kann sich nach Ansicht des Gesetzgebers etwa aus

den technischen Möglichkeiten,
der Ausstattung oder
der Qualifikation des Bauunternehmers ergeben – ebenso wie bspw. auch
aus betriebsinternen Vorgängen[126] (wie z.B. auch aus der aktuellen Auslastung des Unternehmens).[127]

D.h. es ist die Frage zu beantworten, ob dem Unternehmer aufgrund der tatsächlich gegebenen Verhältnisse, bspw. wegen

der Personalausstattung (Personalkapazität), oder auch wegen
des fachlichen Könnens bzw.
der geräte- und maschinentechnischen Ausstattung des Unternehmens,

eine Leistungsübernahme zuzumuten ist – oder ob etwa eine Betrauung von Subunternehmern (d.h. von...

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