1. Preisfortschreibung der Ansätze aus der Urkalkulation

 

Rz. 122

Der Unternehmer kann zur Berechnung der Vergütung für den Nachtrag gemäß § 650c Abs. 2 S. 1 BGB – um die Abrechnung praktikabel und leichter zu gestalten – (alternativ) auch auf die (Kosten-)Ansätze in einer vereinbarungsgemäß hinterlegten Urkalkulation[219] (die nach Preisen und Leistung hinreichend aufgeschlüsselt ist) zurückgreifen[220] (Preisfortschreibung der Ansätze aus der Urkalkulation[221] – vorkalkulatorische Preisfortschreibung).[222]

 

Rz. 123

 

Beachte:

Ist eine Fortschreibung – auch nur teilweise – nicht möglich (bspw. weil die Urkalkulation nicht hinreichend aufgeschlüsselt ist bzw. Nachtragsleistungen in ihr nicht berücksichtigt wurden), kommt nur eine Berechnung nach Maßgabe von § 650c Abs. 1 S. 1 BGB (vorstehende Rdn 103 ff.) in Betracht.[223]

 

Rz. 124

Damit müssen die Preise nicht nach den tatsächlich erforderlichen Kosten neu berechnet werden – vielmehr genügt (analog § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B, Vergütungsberechnung für geänderte und zusätzliche Leistungen)[224] ein Rückgriff auf die im Regelfall vorhandene Urkalkulation des Unternehmers.[225]

 

Rz. 125

Der Begriff der "Urkalkulation" erfährt keine Definition im Gesetz, sodass unklar ist, "welche Voraussetzungen dafür erfüllt sein müssen".[226] Unter Rückgriff auf eine zu § 2 Abs. 5 und 6 VOB/B in der Literatur vertretene Auffassung ist nach Oberhauser[227] "die Kalkulation, die den vertraglich vereinbarten Preisen zugrunde liegt", die "Urkalkulation".[228] Nach Sprau[229] ist "Urkalkulation" eine regelmäßig in einem geschlossenen Umschlag verwahrte Zusammenstellung der Berechnungselemente "(z.B. der Stückpreis für Einzelleistungen, der Prozentsatz für umgelegte Baustellengemeinkosten, allgemeine Geschäftskosten und Gewinn), die der Unternehmer seinem ursprünglichen Angebot zugrunde gelegt hat".[230]

[219] Zum Begriff der "Urkalkulation" näher Orlowski, BauR 2017, 1427, 1432.
[220] I.S., "dass der Unternehmer diese Berechnungselemente und Mengen auch für die Nachtragskalkulation verwendet in dem Sinn, dass er bei vergleichbaren Teilleistungen die Einzelkosten nach den Grundsätzen der Urkalkulation ansetzt": Palandt/Sprau, § 650c BGB Rn 7.
[221] Dazu näher jurisPK-BGB/Leicht, § 650c BGB Rn 38 ff.
[222] Oberhauser, Das neue Bauvertragsrecht, § 2 Rn 118.
[223] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 56.
[224] Oberhauser, Das neue Bauvertragsrecht, § 2 Rn 113.
[225] RegE, BT-Drucks 18/8486, S. 56.
[226] Schwenker/Rodemann, § 650c BGB Rn 4 unter Bezugnahme auf Orlowski, ZfBR 2016, 427.
[227] Oberhauser, Das neue Bauvertragsrecht, § 2 Rn 115.
[228] Vgl. auch BGH ZfBR 2003, 146.
[229] Palandt/Sprau, § 650c BGB Rn 7.
[230] Palandt/Sprau, § 650c BGB Rn 7.

2. Gesetzliche Vermutung nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB

 

Rz. 126

Dabei wird nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB ergänzend – wenngleich widerleglich[231] (der Besteller kann die Vermutung nach § 292 ZPO widerlegen) – vermutet (gesetzliche Vermutung), dass die auf der Basis der Urkalkulation (enthaltene oder) fortgeschriebene Vergütung (Preis- und Kostensätze) der Vergütung (d.h. den tatsächlich erforderlichen Kosten) nach § 650c Abs. 1 BGB entspricht "und hinsichtlich der Zuschläge weiterhin angemessen" ist.[232]

 

Rz. 127

"Hinsichtlich eines Zuschlags für allgemeine Geschäftskosten wird mithin vermutet, dass er weiterhin zutreffend ist":[233] Haben sich die allgemeinen Geschäftskosten jedoch erhöht, kann der Unternehmer die Berechnungsmethode nach § 650c Abs. 1 BGB heranziehen und sie auf andere Weise schlüssig darlegen.

 

Rz. 128

Nicht geregelt ist die Frage, ob und ggf. wie die Vermutung nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB widerlegt werden kann. Schwenker/Rodemann[234] plädieren dafür, die Vergütung nach § 650c Abs. 1 BGB als den "richtigen Preis" anzusehen, weswegen der Besteller gegen eine Preisberechnung auf der Grundlage der Urkalkulation nach § 650c Abs. 2 S. 1 BGB einwenden könne, dass die Vergütungsberechnung nach § 650c Abs. 1 BGB für ihn günstiger sei.[235]

 

Rz. 129

Im Hinblick auf die gesetzliche Vermutung nach § 650c Abs. 2 S. 2 BGB für die Ansätze der Urkalkulation sind auch die Zuschläge für Wagnis und Gewinn einbezogen.[236] Da diese im Wettbewerb um die Ausgangsleistung erzielt worden sind, erscheint es dem Gesetzgeber sachgerecht, sie über die Vermutung im Zweifel fortzuschreiben: "Bei unternehmensbezogenen kalkulierten Zuschlägen bezieht sich die widerlegbare Vermutung auch auf die in der Urkalkulation ausgewiesenen Ansätze und Bezugsgrößen wie Umsatz, Bauzeit oder projektbezogene Festbeträge."[237]

 

Rz. 130

Für die Ermittlung der "tatsächlich erforderlichen Kosten" brauchen die Vertragsparteien damit keine Nachkalkulation (Neuberechnung) vorzunehmen. Vielmehr können sie auf die regelmäßig vorhandene Urkalkulation des Unternehmers zurückgreifen.

 

Rz. 131

Die Vermutungswirkung nach § 650c Abs. 2 BGB hat jedoch zur Voraussetzung, dass die vom Unternehmer offenbarte oder zumindest hinterlegte Urkalkulation in ausreichendem Maße aufgeschlüsselt ist – wobei die Regelung als wichtiger Nebeneffekt dem Unternehmer (sofern er die Kalkulation nachvollziehbar gestaltet hat) auch den Anreiz bietet, die K...

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