A. Einleitung

 

Rz. 1

Während der materiell-rechtliche Teil des alten AGB-Gesetzes sich nach der Schuldrechtsreform 2002 durch eine Eingliederung in das BGB weitgehend unverändert in den §§ 305 bis 310 BGB wiederfindet (siehe Rdn 2 ff.), ist der verfahrensrechtliche Teil auch weiterhin infolge Art. 3 des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes in einem Sondergesetz, nämlich dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagengesetz – UKlaG)[1] geregelt (siehe Rdn 19).

[1] Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- und anderen Verstößen (Unterlassungsklagenge­setz – UKlaG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27.8.2002 (BGBl I, S. 3422, 4346), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 28.4.2017 BGBl I, S. 969. Das Gesetz wurde als Art. 3 des G 400–2/10 vom 26.11.2001 (BGBl I, S. 3138 – SchuldRModG) vom Bundestag beschlossen. Es ist gemäß Art. 9 Abs. 1 S. 3 dieses Gesetzes am 1.1.2002 in Kraft getreten.

I. Der materiell-rechtliche Teil des AGB-Rechts

 

Rz. 2

Mit dem Abschnitt 2 des Zweiten Buches des BGB (Gestaltung rechtsgeschäftlicher Schuldverhältnisse durch Allgemeine Geschäftsbedingungen) wurde im Rahmen des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes[2] in Verfolgung der Kodifikationsidee der materiell-rechtliche Teil des AGB-Gesetzes (alt) mit den §§ 305310 BGB als Teil des allgemeinen Privatrechts (das inhaltlich mit dem BGB so eng verwoben ist, dass man beide Bereiche nicht trennen kann und um der Bedeutung dieser wichtigen Rechtsmaterie für die Praxis gerecht zu werden) in das Bürgerliche Gesetzbuch integriert und in einem eigenen Abschnitt zusammengefasst (systematische Neuordnung).[3] Eine grundlegende inhaltliche Neugestaltung war damit nicht gewollt (gesetzesformale Umgliederung bei weitgehender inhaltlicher Kontinuität ohne wesentliche sachliche Änderungen).[4] Vielmehr sollten die AGB-Regelungen im Wesentlichen beibehalten werden, womit der Gesetzgeber den Grundsatz einer schonenden Neuordnung verfolgt hat.[5]

 

Rz. 3

Die gegen eine zusammenfassende Integration in den §§ 305310 BGB im Allgemeinen Schuldrecht vorgebrachte Kritik, eine Zusammenführung würde der Eigenständigkeit des AGB-Gesetzes (alt) nicht gerecht,[6] vermochte den Gesetzgeber der Schuldrechtsreform 2002 nicht zu überzeugen, da das AGB-Gesetz (alt) seine Funktion überhaupt nicht hätte erfüllen können, wenn es nicht den gleichen Prinzipien wie das Bürgerliche Gesetzbuch selbst folgen würde.[7]

 

Rz. 4

Eine Beibehaltung einer sondergesetzlichen Regelung hätte lediglich die Gefahr in sich geborgen, dass sich unterschiedliche Auslegungsgrundsätze, Begrifflichkeiten und Wertungsmaßstäbe entwickeln, wohingegen die Integration sicherstellt, dass das AGB-Recht den gleichen Prinzipien wie das Bürgerliche Gesetzbuch selbst folgt. Das AGB-Gesetz als "Sonderprivatrecht" des Verbraucherschutzes mit korrespondierender Begrenzung der Vertragsfreiheit soll – so die gesetzgeberische Intention – durch die Integration in das BGB erheblichen Einfluss auch auf die nicht-sonderprivatrechtlichen Bereiche des Bürgerlichen Rechts gewinnen.[8]

Wichtig ist allerdings, dass die Einordnung im Allgemeinen Schuldrecht insoweit nicht überzeugt, als der zutreffendere Standort der Allgemeine Teil des Bürgerlichen Gesetzbuchs gewesen wäre, da das AGB-Recht auch für die Verträge des Sachenrechts gilt und seine Regelungen an Schutzprinzipien des Allgemeinen Teils anknüpfen.[9]

 

Rz. 5

Hennrichs[10] weist allerdings zutreffend darauf hin, dass die gesetzgeberische Argumentation für eine Integration "nur von eingeschränkter Überzeugungskraft", d.h. "nicht wirklich zwingend", allerdings auch "nicht wirklich schädlich" sei – wobei der Hinweis darauf, dass die AGB-Regelungen inhaltlich mit dem Bürgerlichen Gesetzbuch so untrennbar verwoben seien, dass es nunmehr das zusammenzuführen gelte, was zusammengehöre,[11] "sachlich und sprachlich überzogen" ist.[12] Das frühere Nebeneinander von Bürgerlichen Gesetzbuch und AGB-Gesetz (alt) habe – jedenfalls nicht nennenswert – zu Intransparenz und/oder Wertungswidersprüchen geführt, weshalb auch noch niemand Mängel der Rechtsanwendung habe spezifizieren können.[13] "Ebenso wenig hängt der Rang des BGB als Gesamtkodifikation davon ab, ob die materiell-rechtlichen AGB-Vorschriften integriert sind oder sich erst in einem Sondergesetz finden."[14]

 

Rz. 6

Das BGB-Vertragsrecht mit seinem vielfach dispositiven Gesetzesrecht gestattet den Vertragsparteien eine vom Gesetz weitgehend abweichende Gestaltung der Vertragsbeziehungen im Rahmen der Vertragsfreiheit (verstanden als Inhaltsfreiheit, vgl. auch § 311 Abs. 1 BGB). Dies geschieht vor allem für die Massengeschäfte des täglichen Lebens vielfach durch vom Bürgerlichen Gesetzbuch abweichende standardisierte Allgemeine Geschäftsbedingungen. Rechtstatsächlich kommt den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Rationalisierungs- und Vereinfachungsfunktion (Stichwort: Senkung der Transaktionskosten) zu, wobei zum Teil neue, im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst nicht kodifizierte Vertragstypen einer Regelung zugeführt werden...

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