Rz. 169

Die ganz h.M. leitet aus § 306 BGB ein sog. Verbot der geltungserhaltenden Reduktion ab.[346] Dies bedeutet, dass eine unwirksame Klausel eben gerade nicht mit dem Inhalt aufrechterhalten werden kann, der nach gesetzlichen Maßstäben gerade noch zulässig wäre.

 

Rz. 170

Die Ableitung eines solchen Verbots erschließt sich vor dem Hintergrund des mit den §§ 305 ff. BGB verfolgten präventiven Zwecks: Der Verwender von AGB soll durch diese Vorschriften angehalten werden, seine vorformulierten Vertragsbedingungen von vornherein "angemessen" auszugestalten.[347] Dieses Ziel dürfte ohne Inaussichtstellen einer spürbaren Sanktion für den Fall der Nichtbefolgung schwerlich erreichbar sein: Würde man eine geltungserhaltende Reduktion zulassen, so könnte der Klauselverwender recht risikolos auch seinem Vertragspartner unangemessen benachteiligende Klauseln vorsehen, weil er selbst bei Entdeckung der Unwirksamkeit seiner Klausel schlimmstenfalls auf das gesetzlich eben noch Zulässige zurückfiele. Genau dies soll mit dem grundsätzlichen Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verhindert werden.

 

Rz. 171

Daneben begründet die Rechtsprechung das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion auch mit dem Transparenzgebot: Erweckt etwa eine umfassend formulierte Ausschlussklausel in einem Arbeitsvertrag für den unbefangenen Leser den Eindruck, dass sämtliche Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis von ihr erfasst werden, obwohl dies für bestimmte Ansprüche nicht zutrifft, so stellt die Klausel eben auch die Rechtslage unzutreffend dar.[348] Nach Auffassung des BAG steht deshalb auch § 307 Abs. 1 S. 2 BGB einer geltungserhaltenden Reduktion entgegen.[349]

 

Rz. 172

Teils versuchen Verwender von AGB, dem Verbot der geltungserhaltenden Reduktion zumindest teilweise dadurch zu entkommen, dass sie in ihre Verträge Regelungen aufnehmen, nach denen die Parteien etwa verpflichtet sein sollen, unwirksame oder nicht einbezogene Regelungen durch solche zu ersetzen, die dem ursprünglich Vorgesehenen möglichst nahe kommen oder nach denen unzulässig lange Fristen, überhöhte Vertragsstrafen o.ä. auf das rechtlich zulässige Maß zu reduzieren sind. Derartige Versuche dürften in aller Regel daran scheitern, dass sie auf eine Umgehung der in § 306 Abs. 2 BGB vorgesehenen Geltung des dispositiven Rechts hinausliefen und im Übrigen die rechtliche Situation nicht klar und verständlich i.S.v. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB darstellen.[350]

[346] ErfK/Preis, §§ 305–310 BGB Rn 104; Däubler/Deinert/Walser/Bonin/Walser, § 306 Rn 18; Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn 69.
[347] Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn 70.
[350] Clemenz/Kreft/Krause/Schlewing, § 306 BGB Rn 77 ff.

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