Rz. 77

Die Kollisionsregelung des § 305b BGB wirft die Frage auf, ob auch eine vorrangige Individualabrede einer inhaltlichen Kontrolle unterliegt und welche Maßstäbe insoweit anzulegen sind.

Soweit es sich um eine i.S.v. § 305 Abs. 1 S. 3 BGB im Einzelnen ausgehandelte Individualabrede handelt, unterliegt diese schon deshalb keiner Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB, weil es sich nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB schon nicht um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt. Auch eine zumindest partielle Anwendung der §§ 305 ff. BGB über § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB scheidet hier aus, weil der Arbeitnehmer im Falle eines echten Aushandelns selbstverständlich Einfluss auf den Inhalt der Regelung genommen hat. Eine AGB-Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB scheidet damit im Fall einer ausgehandelten Individualabrede aus. Ebenso kommt jedenfalls in aller Regel eine auf § 242 BGB gestützte Billigkeitskontrolle als "AGB-Kontrolle durch die Hintertüre" nicht in Betracht, soweit nicht im Einzelfall verfassungsrechtliche Erwägungen eine solche Kontrolle gebieten.[165] Möglich und denkbar bleibt eine Kontrolle allerdings am Maßstab der Gesetzes- und Sittenwidrigkeit (§§ 134, 138 BGB).

 

Rz. 78

Wurde die vorrangige Individualabrede dagegen gerade nicht im Einzelnen ausgehandelt, so scheidet eine AGB-Kontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB im Grundsatz wohl dennoch häufig daran, dass diese Abrede nicht i.S.v. § 305 Abs. 1 BGB "gestellt" wurde und zudem auch keine Absicht besteht, die individuelle Regelung in einer Vielzahl von Verträgen zu verwenden. Gerade der Arbeitsvertrag ist auf Basis der Rechtsprechung zur Verbrauchereigenschaft des Arbeitnehmers[166] allerdings meist "Verbrauchervertrag" i.S.d. § 310 Abs. 3 BGB. Allgemeine Geschäftsbedingungen "gelten" hier als gestellt und auch die sonst geforderte Absicht der Mehrfachverwendung spielt hier für die Anwendung jedenfalls weiter Teile der §§ 305 ff. BGB keine Rolle. Nach nicht unumstrittener Auffassung soll daher eine nicht nach § 305 Abs. 1 S. 3 BGB ausgehandelte Individualabrede ggf. als vorformulierte Einmalbedingung der Inhaltskontrolle am Maßstab der §§ 305 ff. BGB unterliegen können.[167]

[165] Sie hierzu oben unter Rdn 45.
[166] Siehe hierzu unter Rdn 26 ff.
[167] Däubler/Deinert/Walser/Däubler, § 305b BGB Rn 5.

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