Rz. 572

Da der Arbeitnehmer im Wiedereingliederungsverfahren zur Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung außer Stande ist und sie im Hinblick auf seine andauernde Arbeitsunfähigkeit auch nicht erbringen kann, besteht ein Anspruch des Arbeitnehmers auf Zahlung des im Arbeitsvertrag vereinbarten Entgelts gegen den Arbeitgeber während der Dauer der Wiedereingliederung nicht.[1177] Der Arbeitgeber schuldet dem Arbeitnehmer auch nicht Vergütung aus Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer nur eine Tätigkeit im Rahmen der Wiedereingliederung anbietet.[1178] Die Frage, ob und in welcher Höhe ein Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers während der Wiedereingliederungszeit entstehen soll, sollte in der Wiedereingliederungsvereinbarung geregelt werden. Bleibt diese Frage in der Vereinbarung ungeklärt, kann möglicherweise ein Anspruch des Arbeitnehmers aus § 612 Abs. 1 BGB entstehen.[1179] Sofern dem Mitarbeiter eine Vergütung während der Zeit der Wiedereingliederung gezahlt werden soll, muss sie nicht der Qualifikation und vertraglich vereinbarten Vergütung des Arbeitnehmers aus dem ruhenden Arbeitsverhältnis entsprechen, weil nicht die Erbringung der Arbeitsleistung geschuldet ist, sondern die Beschäftigung allein der Rehabilitation des Arbeitnehmers dient. Eine Verpflichtung, während der Wiedereingliederung den gesetzlichen Mindestlohn nach dem MiLoG zu zahlen, gibt es nach der überwiegend vertretenden Auffassung nicht. Anknüpfungspunkt für den Anwendungsbereich des MiLoG in § 1 ist die Erbringung von Arbeitsleistung, die auch nach den bis zum Inkrafttreten des MiLoG geltenden Kriterien als vergütungspflichtig anzusehen war.[1180] Die Verpflichtung zur Erbringung vollwertiger Arbeitsleistung besteht während der Wiedereingliederungsphase, in der der Arbeitnehmer noch arbeitsunfähig ist, aber gerade nicht. Da die Hauptleistungspflichten während des Wiedereingliederungsverhältnisses ruhen, wird die Zeit der Wiedereingliederung nach dem Recht der Arbeitsförderung als Beschäftigungslosigkeit im Sinne von § 137 SGB IX angesehen.[1181] Während der stufenweisen Wiedereingliederung entfällt deshalb auch nicht ein etwaiger Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitslosengeld.[1182]

[1177] BAG 29.1.1992 – 5 AZR 37/91, NZA 1992, 643, 644; BAG 28.7.1999 – 4 AZR 192/98, NZA 1999, 1295; BAG 24.9.2014 – 5 AZR 611/11, NZA 2014, 1407; von Hoyningen-Huene, NZA 1992, 49, 52.
[1179] A.A.: von Hoyningen-Huene, NZA 1992, 49, 53.
[1180] ErfK/Franzen, § 1 MiLoG Rn 4.
[1181] Riecken, NZA 2014, 420.
[1182] Riecken, NZA 2014, 420; LPK-SGB IX/Steffen Luik, SGB IX § 144 Rn 21–29.

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