Rz. 851

Während des Arbeitsverhältnisses ergibt sich auch ohne gesonderte Vereinbarung für alle Arbeitnehmer ein Wettbewerbsverbot aus einer analogen Anwendung des § 60 HGB.[1742] Ohne die Vereinbarung eines den Vorschriften der §§ 74 ff. HGB entsprechenden nachvertraglichen Wettbewerbsverbotes unterliegt die Konkurrenztätigkeit ehemaliger Arbeitnehmer nach Vertragsende nur noch den allgemeinen gesetzlichen Grenzen u.a. aus §§ 823, 826 BGB und den Vorschriften des UWG.[1743]

[1742] Seit BAG 17.10.1969 – 3 AZR 442/68, AP Nr. 7 zu § 611 BGB Treuepflicht; zuletzt BAG 26.9.2007 – 10 AZR 511/06, NZA 2007, 1436. Ob dies zukünftig noch bei "einfachen" Hilfstätigkeiten ohne Wettbewerbsbezug gelten wird, ist nach BAG 24.3.2010 – 10 AZR 66/09, NZA 2010, 693 (mit Anm. Kappelhoff, ArbRB 2010, 199 f.) kaum noch anzunehmen.
[1743] BAG 15.6.1993 – 9 AZR 558/91, AP Nr. 40 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; Staub/Weber, vor § 74 Rn 1; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag II W 10 Rn 28.

a) Anwendungsbereich der §§ 74 ff. HGB

 

Rz. 852

Die unmittelbar nur für Handelsgehilfen i.S.d. HGB geltenden §§ 74 ff. HGB sind über §§ 110 S. 2, 6 Abs. 2 GewO auch auf Arbeitnehmer anwendbar. Wegen ihres vergleichbaren Schutzbedürfnisses wird der Geltungsbereich der §§ 74 ff. HGB darüber hinaus auf wirtschaftlich abhängige freie Mitarbeiter erstreckt.[1744] Bei den Angehörigen freier Berufe treten nachvertragliche Wettbewerbsverbote in Form von Mandantenschutzklauseln in Erscheinung (siehe unten Rdn 893). Sie gelten hingegen grundsätzlich nicht für Wettbewerbsverbote, die Arbeitnehmer-Gesellschafter in Unternehmenskaufverträgen und Gesellschaftsverträgen selbst vereinbart haben.[1745]

 

Rz. 853

In zeitlicher Hinsicht gelten die Schutzvorschriften in §§ 74 ff. HGB für Vereinbarungen, die bis zur tatsächlichen und rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses getroffen werden. Erst nach Vertragsbeendigung vereinbarte Wettbewerbsverbote unterliegen nicht mehr diesen Schutzvorschriften, sind also entschädigungslos und nur begrenzt durch §§ 138, 242 BGB zulässig.[1746] Die §§ 74 ff. HGB bleiben wegen der Schutzbedürftigkeit des Arbeitnehmers aber anwendbar, solange das Wettbewerbsverbot noch im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis und seiner Abwicklung vereinbart wird, z.B. im Rahmen eines Aufhebungsvertrags.[1747] Als Ausnahme hiervon kann jedoch im Prozessvergleich ein entschädigungsloses Wettbewerbsverbot vereinbart werden, wenn dieser Vergleich das Arbeitsverhältnis rückwirkend beendet.[1748]

[1744] BAG 21.1.1997 – 9 AZR 778/95, AP Nr. 44 zu § 611 BGB Konkurrenzklausel; BGH 10.4.2003 – III ZR 196/02, ZIP 2003, 998; Staub/Weber, vor § 74 Rn 19; HWK/Diller, § 74 HGB Rn 9; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, II W 10 Rn 29.
[1745] Naber, NZA 2013, 870, 873; Baisch/Cardinale-Koc, NJW 2016, 1914.
[1746] BAG 11.3.1968 – 3 AZR 37/67, AP Nr. 23 zu § 74 HGB m. zust. Anm. Weitnauer; Staub/Weber, § 74 Rn 11; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn 9; Preis/Stoffels, Arbeitsvertrag, II W 10 Rn 93; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn 75; Wertheimer, BB 1996, 1714, 1715.
[1747] BAG 25.9.1980 – 3 AZR 638/78, juris; BAG 3.5.1994 – 9 AZR 606/92, NZA 1995, 72; Staub/Weber, § 74 Rn 11; ErfK/Oetker, § 74 HGB Rn 9; MüKo-HGB/v. Hoyningen-Huene, § 74 Rn 22; Wertheimer, BB 1996, 1714, 1716; differenzierend Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn 74 ff.
[1748] BAG 11.3.1968 – 3 AZR 37/67, AP Nr. 23 zu § 74 HGB; Staub/Weber, § 74 Rn 11; Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn 84. Zur Modifikation eines streitigen Wettbewerbsverbots durch Vergleich: Bauer/Diller, Wettbewerbsverbote, Rn 93.

b) Form

 

Rz. 854

§ 74 Abs. 1 HGB knüpft die Wirksamkeit nachvertraglicher Wettbewerbsverbote an die Einhaltung der Schriftform und die Aushändigung einer vom Arbeitgeber unterzeichneten, die vereinbarten Bestimmungen enthaltenden Urkunde an den Arbeitnehmer.

aa) Schriftform

 

Rz. 855

Das gesetzliche Schriftformerfordernis in § 74 Abs. 1 HGB wird gem. § 126 Abs. 1, 2 BGB durch eigenhändige Unterschriften oder notariell beglaubigte Handzeichen der Vertragsparteien auf derselben Urkunde gewahrt. Das Wettbewerbsverbot kann entweder als Klausel i.R.d. Arbeitsvertrags enthalten sein oder als selbstständige Abrede gefasst werden.[1749] Wird sie als Anlage zum Arbeitsvertrag vereinbart, muss entweder die Anlage unterschrieben werden oder der Hauptvertrag muss auf die Wettbewerbsabrede verweisen und fest mit der Anlage verbunden sein.[1750] Die Urkunde muss sämtliche Regelungen zum Inhalt des Wettbewerbsverbots, insbesondere auch die Entschädigungszusage enthalten.[1751] Dabei ist es hinsichtlich der Einhaltung der Form aber unbedenklich, wenn das Wettbewerbsverbot lediglich auf die Vorschriften der §§ 74 ff. HGB verweist.[1752] Eine andere Frage ist, ob eine solche Verweisung in vorformulierten Wettbewerbsabreden auch hinreichend transparent i.S.d. § 307 Abs. 1 S. 2 BGB ist (siehe unten Rdn 888 ff.).

Bei der Unterzeichnung erfordert auf Seiten des Arbeitgebers die ordnungsgemäße Vertretung besondere Aufmerksamkeit. Die Unterschrift eines Vertreters wahrt die Schriftform nur, wenn der rechtsgeschäftlic...

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