Rz. 1708

Neben der (typisierenden) Inhaltskontrolle steht auf zweiter Stufe der Rechtmäßigkeitsprüfung die Ausübungskontrolle im Einzelfall. Ein Arbeitgeber kann von einem vorbehaltenen Widerrufsrecht nur dann wirksam Gebrauch machen, wenn die Ausübung des Widerrufs auf einem in der Klausel angegeben Grund beruht und billigem Ermessen entspricht (§ 315 BGB, § 106 S. 1 GewO).[3912] Das Erfordernis billigen Ermessens statuiert mehr als ein reines Willkürverbot. Es muss ein sachlicher Grund für den Widerruf der Leistung gegeben sein.[3913] Sein Vorliegen bemisst sich anhand der beiderseitigen Interessen im Einzelfall. Dabei ist auch der Zweck der zu widerrufenden Leistung zu berücksichtigen.[3914] Bei dem Widerruf der privaten Nutzung eines Dienstwagens sind zudem die steuerlichen Auswirkungen zu beachten.[3915] Der Vertrauensschutz des Arbeitnehmers kann es in Ausnahmefällen erfordern, die Leistung nicht sofort, sondern erst nach Ablauf einer Auslauffrist wegfallen zu lassen.[3916] Im Text der Widerrufsklausel muss eine solche Ankündigungs- oder Auslauffrist jedoch nicht enthalten sein.[3917] Das bloße Einstellen einer Zahlung ist für sich genommen (selbstverständlich) kein Widerruf.[3918]

 

Rz. 1709

Der Arbeitgeber hat bei der Ausübung des Widerrufsvorbehalts den Gleichheitssatz zu wahren. Allerdings liegen von vornherein keine vergleichbaren Sachverhalte vor, wenn bestimmte (Alt-)Verträge der Arbeitnehmer im Vergleich zu anderen (neueren) Verträgen keine oder unwirksame Widerrufsvorbehalte enthalten.[3919] Zwar unterliegt die bloße Vereinbarung des Widerrufsvorbehalts nicht der Mitbestimmung des Betriebsrates nach § 87 Abs 1 Nr. 10 BetrVG; etwas anderes kann jedoch für die Ausübung des Widerrufsvorbehalts gelten.[3920]

[3913] BAG 13.5.1987 – 5 AZR 125/86, NZA 1988, 95, 96; LAG München 5.8. 2014 – 7 Sa 933/13, juris.
[3914] Küttner/Kania, Änderungsvorbehalte, Rn 9.
[3917] BAG 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 933; BAG 21.3.2012 – 5 AZR 651/10, NZA 2012, 616, 617; Hümmerich/Reufels/Schiefer, Rn 4432; ErfK/Preis, § 310 BGB Rn 57; Stoffels, NZA 2017, 1217, 1220f. empfiehlt dagegen angesichts der unklaren Rechtslage eine Ankündigungsfrist von einem Monat in den Klauseltext aufzunehmen; a.A. Däubler u.a./Bonin, § 308 Rn 46.
[3919] BAG 24.1.2017 – 1 AZR 772/14, NZA 2017, 931, 934. Kritisch, i.E. aber bejahend: Preis/Deutzmann, NZA-Beilage 2017, 101, 105.

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