Rz. 1066

Im Rahmen der gesetzlichen Mankohaftung sind daher unabhängig von der Haftungsgrundlage die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast zu berücksichtigen. Demnach hat der Arbeitgeber darzulegen, dass das Manko auf einer schuldhaften Pflichtverletzung des Arbeitnehmers beruht.[2391] Nur sofern der Arbeitnehmer eine – vom Arbeitgeber zu beweisende[2392] – alleinige Zugriffsmöglichkeit auf den ihm anvertrauten Kassen- oder Warenbestand besitzt, besteht bei Fehlbeständen ein Anscheinsbeweis dafür, dass der Arbeitnehmer seine Leistungspflichten verletzt hat.[2393] Weiterhin muss der Arbeitgeber darlegen, ob und in welchem Umfang der Arbeitnehmer schuldhaft gehandelt hat; dabei ist ein Fehlbestand auch bei pflichtwidrigem Handeln des Arbeitnehmers allenfalls einfache Fahrlässigkeit, nicht aber grobe Fahrlässigkeit oder gar vorsätzliches Handeln zu indizieren geeignet.[2394] Um keine unzumutbaren Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers zu stellen, trifft den Arbeitnehmer sodann die sekundäre Behauptungslast, die auch durch § 619a BGB nicht ausgeschlossen wird.[2395] Soweit der Geschehensverlauf in der alleinigen Wahrnehmungssphäre des Arbeitnehmers liegt, muss er diesen im Hinblick auf die in § 138 ZPO normierte Verpflichtung zur vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärung über tatsächliche Umstände spätestens im Prozess darlegen; er muss zumindest eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für einen Geschehensablauf dartun, der die Wertung ermöglicht, dass der Fehlbestand jedenfalls nicht auf eine fahrlässige Pflichtverletzung zurückzuführen ist.[2396] Bleibt dann streitig, ob bestimmte Tatsachen vorliegen oder nicht, geht dies bei Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts zu Lasten des Arbeitgebers.[2397]

[2391] BAG 2.12.1999 – 8 AZR 386/98, NZA 2000, 715; BAG 22.5.1997 – 8 AZR 562/95, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Mankohaftung; LAG Köln 29.5.2015 – 4 Sa 136/15, juris; LAG Sachsen-Anhalt 9.6.2011 – 3 Sa 95/10, juris; LAG Baden-Württemberg 19.9.2001 – 17 Sa 9/01, n.v.; Hessisches LAG 20.8.1980 – 10/7 Sa 909/78, n.v.; LAG München 26.4.1973 – 3 Sa 891/72, AMBl BY 1974, C10; Otto/Schwarze/Krause, § 13 Rn 28; MünchArbR/Reichold, § 57 Rn 83; Oetker, BB 1999, 43.
[2392] LAG München 2.4.2008 – 11 Sa 917/07, n.v.; LAG Rheinland-Pfalz 11.1.2008 – 9 Sa 462/07, n.v.; LAG Schleswig-Holstein 8.2.2002 – 1 Sa 293/00, n.v.; BAG 6.6.1984 – 7 AZR 292/81, AP Nr. 1 zu § 11a TV Ang Bundespost; BAG 11.11.1969 – 1 AZR 216/69, AP Nr. 49 zu § 611 BGB Haftung des Arbeitnehmers.
[2393] ArbG Berlin 24.6.2016 – 28 Ca 3004/16, juris.
[2394] BAG 22.5.1997 – 8 AZR 562/95, AP Nr. 1 zu § 611 BGB Mankohaftung; BAG 30.8.1966 – 1 AZR 456/65, NJW 1967, 269.
[2395] Oetker, BB 1999, 43; VG Freiburg 16.3.2018 – 1 K 1182/16, juris, nimmt Darlegungserleichterungen zugunsten des Arbeitnehmers auch in anderen Fällen an, in denen das Schadensereignis näher beim Arbeitnehmer liegt als beim Arbeitgeber.
[2396] BAG 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, NZA 2011, 406; BAG 6.6.1984 – 7 AZR 292/81, AP Nr. 1 zu § 11a TV Ang Bundespost; BAG 29.8.1984 – 7 AZR 572/81, n.v.; LAG Düsseldorf 23.6.1966 – 2 Sa 418/65, BB 1966, 1145.
[2397] LAG Baden-Württemberg 27.11.2002 – 12 Sa 118/01, n.v.; BAG 6.6.1984 – 7 AZR 292/81, AP Nr. 1 zu § 11a TV Ang Bundespost; Reineke, ZfA 1976, 215.

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