Rz. 985

Auch die Haftung des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern weist Besonderheiten im Vergleich zu den allgemeinen Grundsätzen des BGB auf.[2201] Bei Personenschäden ist der Haftungsausschluss des § 104 SGB VII zu beachten.[2202] Ausgeschlossen ist danach insbesondere die Haftung des Arbeitgebers[2203] für Arbeitsunfälle, die zur Verletzung oder zum Tod des Arbeitnehmers führen und die der Arbeitgeber nicht vorsätzlich[2204] und nicht auf einem gem. § 8 Abs. 2 Nr. 14 SGB VII versicherten Weg herbeigeführt hat. Der verletzte Arbeitnehmer bzw. seine Hinterbliebenen erhalten stattdessen Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Für arbeitsbedingte Sach- oder Vermögensschäden haftet der Arbeitgeber analog § 670 BGB verschuldensunabhängig.[2205] Erfasst sind Schäden an eigenen Sachen, die der Arbeitnehmer im Rahmen der Erbringung der geschuldeten Dienste erleidet und die nicht bereits durch das Arbeitsentgelt oder eine besondere Vergütung abgegolten sind.[2206] Der Schaden darf nicht dem privaten Lebensbereich des Arbeitnehmers, sondern muss dem Betätigungsbereich des Arbeitgebers zuzurechnen sein.[2207] Ob von diesem Grundsatz zulasten des Arbeitnehmers abgewichen werden kann, hat das BAG offen gelassen.[2208] Richtigerweise stellen Klauseln, die eine Haftung des Arbeitgebers für solche Sachschäden ganz ausschließen oder nur bei Verschulden des Arbeitgebers zulassen, eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers dar.[2209] Allerdings soll der Arbeitnehmer durch die Verwendung eigener Sachen nicht besser gestellt werden als er bei der Verwendung von Sachen des Arbeitgebers stünde. Ein Ersatzanspruch analog § 670 BGB besteht deshalb nur in dem Umfang, in dem der Arbeitgeber eine Beschädigung seiner eigenen Sache nach den Grundsätzen des innerbetrieblichen Schadensausgleichs hinzunehmen hätte.[2210] Vollen Schadenersatz kann der Arbeitnehmer somit nur in den Fällen beanspruchen, in denen ihn kein Verschulden trifft oder ihm nur leichteste Fahrlässigkeit angelastet werden kann.

 

Rz. 986

Für sonstige Schäden an Sachen des Arbeitnehmers – d.h. außerhalb des Anwendungsbereichs von § 670 BGB – haftet der Arbeitgeber nur verschuldensabhängig. Von der Haftung wegen Vorsatzes kann sich ein Arbeitgeber nicht im Voraus freizeichnen (§ 276 Abs. 3 BGB). Entsprechendes gilt bei Formulararbeitsverträgen gem. § 309 Nr. 7b BGB betreffend den Ausschluss der Haftung für grobe Fahrlässigkeit. Aber auch im Bereich einfacher Fahrlässigkeit wird eine Abbedingung der Haftung überwiegend nur in Ausnahmefällen – etwa beim Vorliegen gewichtiger Gründe – zugelassen.[2211]

[2201] Einen Überblick aus jüngerer Zeit gibt Schwab, NZA-RR 2016, 230.
[2202] BAG 19.8.2004 – 8 AZR 349/03, AP Nr. 4 zu § 104 SGB VII; BAG 24.6.2004 – 8 AZR 292/03, AP Nr. 2 zu § 104 SGB VII; näher Krasney, NZS 2004, 7; Waltermann, NJW 2004, 901; zur Vorgängervorschrift § 636 RVO s. BAG 28.4.2011 – 8 AZR 769/09, NZA-RR 2012, 290.
[2203] Das Haftungsprivileg kommt sowohl dem Verleiher als Arbeitgeber als auch dem Entleiher als "Quasi-Arbeitgeber" zugute, vgl. LG Saarbrücken 28.6.2018 – 9 O 182/17, BeckRS 2018, 18127; Bissels/Fuchs, ArbRAktuell 2019, 161; Schwab, NZA-RR 2016, 230, 231. Zur Zurechnung der Schädigungshandlungen von Arbeitskollegen, Vorgesetzten und Organmitgliedern an den Arbeitgeber vgl. Lindemann/Polzer, DB 2017 1087.
[2204] Der Vorsatz muss nicht nur die schädigende Handlung erfassen, sondern auch den konkret eingetretenen Schaden, vgl. etwa Lindemann/Polzer, DB 2017 1087, 1088.
[2205] Grundlegend BAG GS 10.11.1961 – GS 1/60, NJW 1962, 411; siehe auch BAG 22.6.2011 – 8 AZR 102/10, NZA 2012, 91, 92; BAG 28.10.2010 – 8 AZR 647/09, NZA 2011, 406, 408; ErfK/Preis, § 619a BGB Rn 76 ff.; Schaub/Linck, § 60 Rn 2; Hümmerich/Reufels/Borgmann, Rn 2776; Dimsic, BB 2018, 376; Schwab, NZA-RR 2016, 230, 233f.
[2206] Ausführlich zum Betätigungskreis des Arbeitgebers und der Abgeltung durch eine besondere Vergütung vgl. Dimsic, BB 2018, 376.
[2207] BAG 28.10.2010 - 8 AZR 418/09, NZA 2011, 345; ErfK/Preis, § 619a BGB Rn 12.
[2209] Siehe dazu auch ErfK/Preis, § 619a BGB Rn 94. Die steuerliche Wegstreckenentschädigung (Kilometergeld) z.B. stellt keine besondere Vergütung im Sinne der Rspr. dar, weil sie lediglich die normalen Betriebs- und Unterhaltskosten des Fahrzeugs abgilt, nicht aber eventuelle Reparaturkosten, Schwab, NZA-RR 2016, 230, 234.
[2211] Preis/Stoffels, II H 10 Rn 6.

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