Rz. 1282

Eine sog. Teilnichtigkeitsklausel bestimmt, dass bei Nichtigkeit einzelner Regelungen, der Vertrag im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Die Teilnichtigkeit soll im Zweifel nicht zur Gesamtnichtigkeit führen.

Vertragliche Teilnichtigkeitsklauseln sind weitgehend überflüssig, da § 306 Abs. 1 BGB eine kodifizierte Teilnichtigkeitsklausel enthält. Danach bleibt der Vertrag wirksam, auch wenn einzelne Vertragsbestimmungen unwirksam sind. § 306 Abs. 1 BGB enthält eine vorrangige Sonderregel zu § 139 BGB, wonach im Zweifel das gesamte Geschäft als nichtig anzusehen ist (Gesamtnichtigkeit).[2770]

Die Grundregel der Gesamtnichtigkeit war im Arbeitsvertragsrecht jedoch schon vor der Schuldrechtsreform weitgehend umgekehrt worden. Die Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages wurde entweder aus § 139 S. 2 BGB abgeleitet: Danach soll nicht das gesamte Rechtsgeschäft nichtig sein, wenn anzunehmen ist, dass es auch ohne den nichtigen Teil vorgenommen sein würde. Teilweise wurde die Grundregel des § 139 BGB auch unter Anwendung des § 242 BGB begrenzt oder mit Hinweis auf den Zweck der jeweiligen Verbotsnorm für nicht anwendbar erklärt.[2771] Der Arbeitsvertrag blieb dann trotz Unwirksamkeit einzelner Regelungen wirksam, wenn ein Verstoß gegen arbeitnehmerschützende Vorschriften vorlag. Hauptanwendungsfall zur Aufrechterhaltung des Arbeitsvertrages trotz Nichtigkeit einzelner Vertragsbestimmungen war der Zweck der Verbotsnorm, der im Arbeitsrecht generell der Arbeitnehmerschutz ist; auch darüber hinaus gebietet der Schutzzweck der Norm nur selten die Gesamtnichtigkeit des Arbeitsvertrags.[2772]

 

Beispiele

Schwarzlohnabrede

Die Abrede, die Arbeitsvergütung ohne Berücksichtigung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ("schwarz") auszuzahlen, ist nur insoweit unwirksam, als ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§§ 266a, 263 StGB) vorliegt, also nur die spezifische Abrede, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht abzuführen. Der Arbeitsvertrag an sich sowie die Vergütungsabrede bleiben jedoch wirksam. Eine Erstreckung der Nichtigkeitsfolge auf das vertragliche Grundverhältnis würde dem Schutzzweck entgegenstehen, weil ohne Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers tatsächlich weder Sozialversicherungsbeiträge noch Steuern anfallen. Dadurch würde nur einseitig der Arbeitnehmer belastet.[2773]

Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Schutznormen

Nur in Ausnahmefällen kam es zur Gesamtnichtigkeit, etwa bei Verstößen gegen öffentlich-rechtliche Schutznormen, die sich gegen den Vertrag insgesamt richten.[2774]

[2770] BeckOK/Jacobs, § 306 BGB Rn 5.
[2771] ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 342.
[2772] ErfK/Preis, § 611 BGB Rn 342 m.w.N.
[2773] BAG 26.2.2003 – 5 AZR 690/01, NZA 2004, 313: Die Schwarzgeldabrede selbst ist wegen Verstoßes gegen Strafgesetze unwirksam, §§ 266a, 263 StGB, § 370 AO. Dadurch wird den geschützten Interessen der Solidargemeinschaft und des Fiskus genügt. Eine Erstreckung der Nichtigkeitsfolge auf das vertragliche Grundverhältnis würde dem Schutzzweck entgegenlaufen, weil ohne Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers weder Sozialversicherungsbeiträge noch Steuern anfallen. Hierdurch würde nur einseitig der Arbeitnehmer belastet. Erst wenn die Absicht, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zu hinterziehen, Hauptzweck der Vereinbarung wäre, könnte eine Gesamtnichtigkeit angenommen werden; BAG 24.3.2004, 5 AZR 303/03, EzA Nr. 2 zu § 134 BGB 2002: Gesamtnichtigkeit, wenn kein Arbeitsvertrag vorliegt.
[2774] BAG 8.9.1988 – 2 AZR 102/88, AP Nr. 2 zu § 4 MuSchG: Einstellung einer Schwangeren für Arbeiten, die nach dem MuSchG verboten sind; LAG Nürnberg 29.8.1995 – 2 Sa 429/94, AP Nr. 9 zu § 134 BGB: Überschreitung der arbeitszeitrechtlichen Grenzen; ErfK/Preis, § 611a BGB Rn 342.

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