I. Allgemeine Erläuterungen zum Klausel ABC

1. Das Wesen des Arbeitsvertrages

 

Rz. 149

Das Arbeitsrecht ist fest verwurzelt im deutschen Privatrechtssystem. Der Gesetzgeber hat diese Tatsache im Rahmen der Modernisierung des Schuldrechts zuletzt noch einmal unterstrichen, indem er die AGB-Kontrolle auf Arbeitsverträge ausdehnte.[296] Gleichzeitig nimmt das Arbeitsrecht im Gefüge zivilrechtlicher Verträge aufgrund seines ausgeprägten, überwiegend zwingend ausgestalteten Arbeitnehmerschutzes, seiner uneinheitlichen, zersplitterten Kodifikation sowie der Bedeutung kollektiver Vereinbarungen eine Sonderstellung ein.[297] Diese macht die Frage, ob ein Vertragswerk diesem Regelungsregime zu unterstellen ist, praktisch außerordentlich bedeutsam.

[296] BT-Drucks 14/6857, S. 53 f.
[297] Vgl. auch den von Preis/Henssler vorgelegten Diskussionsentwurf eines Arbeitsvertragsgesetzes, Sonderbeilage zu NZA Heft 21/2007, S. 21.

a) Begriff des Arbeitsvertrages

 

Rz. 150

Der Arbeitsvertrag ist seit 1.4.2017 als eigenständiger Vertragstyp in § 611a Abs. 1 S. 1 BGB definiert: "Durch den Arbeitsvertrag wird der Arbeitnehmer im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet".[298] Es handelt sich um einen Unterfall des in § 611 BGB geregelten Dienstvertrages (vgl. § 621 BGB). Der Arbeitsvertrag ist ein schuldrechtlicher Austauschvertrag, dessen Hauptleistungspflichten in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.[299] Auf ihn finden neben dem Allgemeinen Teil des BGB auch die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts Anwendung, soweit diese nicht durch vorrangige arbeitsrechtliche Sonderregelungen verdrängt werden. Letzteres ist aufgrund des eng gewobenen Netzes arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften häufig der Fall.

 

Rz. 151

Der Arbeitsvertrag erschöpft sich nicht im einmaligen Austausch von Arbeitsleistung und Entgelt, sondern ist als Dauerschuldverhältnis angelegt. Seine Begründung ist grds. an keine Form gebunden, so dass auch mündlich oder konkludent geschlossene Arbeitsverträge möglich sind (klarstellend § 105 S. 1 GewO). Gesetzliche Ausnahmen von diesem Grundsatz bestehen für den Ausbildungsvertrag (§ 11 BBiG) sowie den Leiharbeitsvertrag (§ 12 Abs. 1 S. 1 AÜG). Formvorschriften sind daneben in Betriebsvereinbarungen und Tarifverträgen weit verbreitet; hier ist in jedem Einzelfall zu prüfen, ob ein deklaratorisches oder konstitutives Schriftformerfordernis gewollt war (siehe dazu Rdn 1298 ff.). Überdies verpflichtet § 2 Abs. 1 S. 1 NachwG den Arbeitgeber, spätestens einen Monat nach dem vereinbarten Beginn des Arbeitsverhältnisses die wesentlichen Vertragsbedingungen schriftlich niederzulegen, die Niederschrift zu unterzeichnen und dem Arbeitnehmer auszuhändigen. Hierbei handelt es sich um ein zwingendes, aber nicht konstitutives Form­erfordernis; die Verletzung der Nachweispflichten kann jedoch Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers begründen.[300] Darüber hinaus bedürfen bestimmte Vertragsabreden der Schriftform (z.B. Befristungen nach § 14 Abs. 4 TzBfG oder Wettbewerbsverbote nach § 74 Abs. 1 HGB). Kündigung und Auflösung des Arbeitsvertrages bedürfen nach § 623 BGB der Schriftform.[301]

[298] BGBl. 2017 I S. 258; kritisch zu dieser Definition: Hromadka, NZA 2018, 1583; Preis, NZA 2018, 817; Richardi, NZA 2017, 36; Richardi, NZA 2018, 974.
[299] Zur überholten Lehre des personenrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses vgl. statt vieler Hueck/Nipperdey, Band I, S. 128 ff.
[300] BAG 21.2.2012 – 9 AZR 486/10, NZA 2012, 750, 753; ErfK/Preis, § 2 NachwG Rn 38. Siehe auch BAG 5.11.2003 – 5 AZR 676/02, NZA 2005, 64 betreffend die Wirksamkeit des Arbeitsvertrages. Zum Ganzen Melms/Weck, RdA 2006, 171, 174 ff.
[301] Siehe auch BAG 19.4.2007 – 2 AZR 208/06, NZA 2007, 1227 zur Formbedürftigkeit des Verzichts auf Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

b) Abgrenzung zu sonstigen Vertragstypen

 

Rz. 152

Vom freien Dienst- oder Mitarbeitervertrag unterscheidet sich der Arbeitsvertrag durch die Unselbstständigkeit der Dienstleistung. Entscheidend ist, ob der zur Dienstleistung Verpflichtete als Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (vgl. dazu Rdn 156 ff.). Bei einem Werkvertrag schuldet der Unternehmer gem. § 631 Abs. 2 BGB den Eintritt eines Erfolges, während der Arbeitnehmer nur das Tätigwerden als solches schuldet. Dass auch der Arbeitgeber regelmäßig ein Interesse an der Herbeiführung eines Erfolges hat, steht der Annahme eines Arbeitsvertrages nicht entgegen. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer bereits für sein Bemühen um den Erfolgseintritt seinen Vergütungsanspruch erhalten soll. In diesem Fall wird er auch durch die Auferlegung einer Erfolgsvorgabe und der Bemessung seines Entgelts an derselben nicht dem Werkvertragsrecht unterstellt. Geschuldet wird weiterhin allein die Arbeitsleistung als solche, für die lediglich ein leistungsbezogenes Arbeitsentgelt erbracht wird.[302]

 

Rz. 153

Erbringt ein Gesellschafter Dienste für seine Gesellschaft, ist bei der Qualifizierung des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses nach der Quelle der Dienstpflicht zu unterscheiden. Den Gesellschaftern einer Personengesellschaft obliegt es kraft Ges...

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