Rz. 1343

Bindungsklauseln in Form von Stichtags- bzw. Rückzahlungsklauseln sind grundsätzlich unzulässig, wenn die Sonderzahlung reinen Entgeltcharakter besitzt, da in diesem Falle Bindungsklauseln regelmäßig eine unangemessene Benachteiligung i.S.d. § 307 Abs. 1 BGB darstellen (vgl. auch Rdn 1338 ff.).[2928] Demgegenüber war es nach früherer Rechtsprechung[2929] zulässig, Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter durch die Vereinbarung von Bindungsklauseln Mischcharakter zu verleihen und damit auch den Motivationszweck der Sonderzahlung zu betonen. Nach inzwischen gefestigter Rechtsprechung stehen jedoch Bindungsklauseln, die Sonderzahlungen mit Entgeltcharakter erfassen, im Widerspruch zu dem Grundgedanken des § 611 Abs. 1 BGB; die Vorenthaltung einer bereits verdienten Arbeitsvergütung ist demnach stets ein unangemessenes Mittel, die selbstbestimmte Arbeitsplatzaufgabe zu verzögern oder zu verhindern. Mit ihr sind Belastungen für den Arbeitnehmer verbunden, die auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen eines Arbeitgebers nicht zu rechtfertigen sind. Eine Sonderzahlung, die zumindest auch Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung darstellt, kann deshalb nicht mehr von dem Bestand des Arbeitsverhältnisses zu einem Zeitpunkt inner- oder außerhalb des Bezugszeitraums, in dem die Arbeitsleistung erbracht wurde, abhängig gemacht werden.[2930] Bindungsklauseln, die über den Bezugszeitraum hinausreichen, können deshalb nur noch für Sonderzahlungen mit reinem Gratifikationscharakter vereinbart werden,[2931] wobei das BAG bereits angedeutet hat, Sonderzahlungen, die mindestens 25 % der Gesamtvergütung ausmachen, den Charakter als reine Gratifikation absprechen zu wollen.[2932] Allerdings muss es auch weiterhin zulässig sein, bei Mitarbeitern, deren Tätigkeit unmittelbaren Einfluss auf das ­Unternehmensergebnis hat, den Messzeitraum für die variable Vergütung im Interesse einer nachhaltigen Unternehmensentwicklung über mehrere Jahre zu erstrecken, wie dies § 87 Abs. 1 S. 3 AktG für Vorstandsmitglieder und die Instituts-Vergütungsverordnung[2933] für Mitarbeiter im Kredit- und Versicherungswesen vorsehen.

[2928] BAG 13.9.1974 – 5 AZR 48/74, AP Nr. 84 zu § 611 BGB Gratifikation; Preis/Preis, Arbeitsvertrag, II S 40 Rn 38a.
[2930] BAG 13.11.2013 – 10 AZR 848/12, NZA 2014, 368; BAG 14.11.2012 – 10 AZR 783/11, DB 2013, 346; BAG 18.1.2012 – 10 AZR 612/10, NZA 2012, 561; BAG 6.5.2009 – 10 AZR 443/08, NZA 2009, 783; ebenso BAG 5.7.2011 – 1 AZR 94/10, AP Nr. 139 zu § 87 BetrVG 1972 Lohngestaltung, für eine in einer Betriebsvereinbarung enthaltene Bindungsklausel; LAG Köln 21.1.2015 – 11 Sa 753/14, juris; LAG München 14.8.2014 – 4 Sa 549/13, juris; ausführlich dazu Heins/Leder, NZA 2014, 520; Reinecke, BB 2013, 437; Heiden, RdA 2012, 225; Baeck/Winzer, NZG 2012, 657;Lakies, ArbR 2012, 306; kritisch Salamon, NZA 2013, 590; Salamon, NZA 2011, 1328.
[2933] Verordnung über die aufsichtsrechtlichen Anforderungen an Vergütungssysteme von Instituten vom 6.10.2010, BGBl 2010 I, 1374.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge