Rz. 4

Voraussetzung für die schadensmindernde Anrechnung eines schädigungsbedingten Vorteils ist nach gefestigter Rechtsprechung ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen schädigendem Ereignis und eingetretenem Vorteil. Die im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten Grundsätze der Vorteilsausgleichung beruhen auf dem Gedanken, dass dem Geschädigten – jedenfalls in gewissem Umfang – diejenigen Vorteile zuzurechnen sind, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis ­zufließen. Angesichts der dem Gesetz zugrunde liegenden Differenzhypothese ist jeweils klärungsbedürftig, ob die dem Geschädigten zufließenden Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sind, sie also den Schädiger entlasten. Es soll damit ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt werden. Zu der Adäquanz des Vorteils muss hinzutreten, dass die Anrechnung dem Zweck der Ersatzpflicht entspricht. Insbesondere ist eine unbillige Entlastung des Schädigers zu vermeiden. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein.[7]

 

Rz. 5

Vorteile dürfen nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil zu ihrer Entstehung eine weitere Ursache mitgewirkt hat.[8] Vielmehr ist ausreichend, dass Schaden und Vorteil aus mehreren selbstständigen Quellen fließen, soweit nur das schädigende Ereignis allgemein geeignet war, derartige Vorteile mit sich zu bringen.[9] Als weitere Voraussetzung ist in jedem Einzelfall zu prüfen und rechtlich wertend zu entscheiden, ob eine Anrechnung dem Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht entspricht, den Geschädigten nicht unzumutbar belastet und den Schädiger nicht unbillig begünstigt.[10] Gefordert wird ein "innerer Zusammenhang", d.h. ein Korrespondieren zwischen Einzelschaden und Vorteil,[11] Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtungsweise gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein.[12]

 

Rz. 6

Ebenso wie beim Forderungsübergang ist auf sachliche Kongruenz zu achten. Der Vorteil darf daher nur bei der ihm entsprechenden Schadensposition abgesetzt werden.[13] Auf die Kosten der Umschulung darf daher ein später erzielter Mehrverdienst nicht angerechnet werden.[14] Ersparte häusliche Verpflegungskosten sind von den Heilbehandlungskosten, nicht vom Verdienstausfallschaden abzusetzen.

 

Rz. 7

Zwischen Vor- und Nachteil muss auch ein möglichst enger zeitlicher Zusammenhang bestehen, der die Ableitung beider aus einem gemeinsamen Ursprung erlaubt. Im Fall einer vom Schädiger zu verantwortenden "Gewinnphasenverschiebung" wird dem Geschädigten nur der konkret entstandene Gewinnentgang ersetzt, und zwar zeitlich erst dann, wenn er bei Zugrundelegung der konkreten Schadensberechnung tatsächlich entstanden ist. Dieser Betrag ist nicht im Wege der Vorteilsausgleichung zu reduzieren.[15]

 

Rz. 8

Ist der Schadensersatzanspruch nach § 254 BGB auf eine Haftungsquote begrenzt oder nach entsprechenden Bestimmungen der Haftpflichtgesetze gekürzt, so sind die dem Geschädigten zufließenden Vorteile im Allgemeinen pro rata zu verrechnen.[16] Der Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden ist zwar ein echter Schadensersatzanspruch. Einer "förmlichen" Vorteilsausgleichung bedarf es jedoch deshalb nicht, weil bei der Bemessung eines Schmerzensgeldanspruchs ohnehin alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen sind (vgl. dazu im Einzelnen § 17 Rdn 1 ff.).

[7] Vgl. BGH, Urt. v. 12.03.2007 – II ZR 315/05, MDR 2007, 963 = NJW 2007, 3130; BGH, Urt. v. 6.6.1997 – V ZR 115/96, BGHZ 136, 52 = MDR 1997, 924 = NJW 1997, 2378; BGH, Urt. v. 4.4.2014 – V ZR 275/12, BGHZ 200, 350 m.w.N.; BGH, Urt. v. 25.2.1988 – VII ZR 152/87, NJW-RR 1988, 788, und BGH, Urt. v. 22.6.1992 – II ZR 178/90, NJW 1992, 3167.
[8] BGHZ 8, 326, 329.
[9] RGZ 93, 144, 145; RGZ 130, 258, 261.
[11] Vgl. BGH, Urt. v. 12.11.1983 – VI ZR 22/82, DAR 1984, 114, 115; BGH, Urt. v. 16.9.1986 – VI ZR 128/05, VersR 1987, 70; BGHZ 136, 52.
[12] BGH, Urt. v. 12.11.2009 – VII ZR 233/08, NJW 2010, 675 m.w.N.; vgl. dazu auch Pauge, VersR 2007, 569.
[14] BGH, Urt. v. 2.6.1987 – VI ZR 198/86, NJW 1987, 2741; OLG Nürnberg, Urt. v. 16.1.1991 – 4 U 3530/90, VersR 1991, 1256.

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