Rz. 27

Grundsätzlich besteht nach §§ 1 und 2 AVB-VSV nur für solche Schäden Versicherungsschutz, die einem versicherten Unternehmen unmittelbar zugefügt werden. Für mittelbare Schäden besteht nur Versicherungsschutz, soweit dies seinen Ausdruck in den AVB gefunden hat. Die Beschränkung spielt in der Schadenspraxis eine sehr große Rolle. Die Beschränkung auf den unmittelbaren Schaden dient dazu, die ersatzfähigen Schadenspositionen in Höhe und Umfang auf das kalkulatorisch vertretbare Minimum einzugrenzen.[44] Durch die Ausgestaltung als primäre Risikobeschreibung muss der Versicherungsnehmer den Beweis führen, dass der Schaden unmittelbar aus der schadenstiftenden Handlung resultiert. Eine gesetzliche, von der Rechtsprechung entwickelte oder in der Literatur anerkannte Definition des Begriffs "mittelbarer Schaden" gibt es nicht. Zur näheren Bestimmung des unmittelbaren Schadens und zur Abgrenzung zum mittelbaren Schaden kann zunächst die beispielhafte Aufzählung in §§ 51 Ziff. 1, 56 S. 1–3 AVB-VSV/P und §§ 28 Ziff. 1, 33 S. 1–3 AVB-VSV/K herangezogen werden, wobei sich durch Wiedereinschlüsse unmittelbarer Schäden gem. § 7 und § 17 AVB-VSV/P insgesamt ein kompliziertes Regelungsgefüge ergibt, auf das hier nur in den Grundzügen eingegangen werden kann.

 

Rz. 28

Bereits die Abgrenzung, worauf sich die Unmittelbarkeit beziehen muss, bereitet Schwierigkeiten. So kann sich das Erfordernis der Unmittelbarkeit auch auf die Frage der Kausalität,[45] auf den Kreis der Ersatzberechtigten,[46] auf die zeitliche Abfolge des Schadenseintritts oder aber darauf erstrecken, an welchem Rechtsgut der Schaden eingetreten ist.[47] Für die VSV allein bedeutsam ist die normzweckgeleitete Unterscheidung[48] zwischen dem durch die schadenstiftende Handlung herbeigeführten Verletzungserfolg an der Sache oder der Person und den sich aus dem Verletzungserfolg ergebenden weiteren Nachteilen als Folgeschaden.[49] Unmittelbarkeit liegt hierbei grds. dann vor, wenn die schadenstiftende unerlaubte Handlung direkt, d.h. ohne Zwischenschritte, zu einem Schaden des versicherten Unternehmens führt.[50] Nach § 28 Ziff. 1 AVB-VSV/K bzw. § 51 Ziff. 1 AVB-VSV/P sind als mittelbare Schäden in einem Klammerzusatz beispielhaft aufgeführt: der entgangene Gewinn, Zinsen, Geldstrafen, Bußgelder[51] und sonstige staatliche Zahlungsanordnungen, öffentliche Abgaben, Löse-, Erpressungs- und Schmerzensgelder, Schäden im Zusammenhang mit Diskriminierungen und Betriebsunterbrechungen und Reputationsschäden.[52] In allen anderen Fällen wird man zur Abgrenzung auf die Verkehrsauffassung abstellen müssen.

 

Rz. 29

Als unmittelbarer Schaden ersatzfähig sind danach ohne Anspruch auf Vollständigkeit: der Wiederbeschaffungswert bzw. die Wiederherstellungskosten und ein danach verbleibender technischer oder merkantiler Minderwert,[53] jedoch maximal bis zur Höhe des Zeitwerts der Sache gem. § 33 AVB-VSV/K bzw. § 56 AVB-VSV/P; die Kosten für den Widerruf, die Richtigstellung oder Ergänzungen bei Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb z.B. durch kreditschädigende Äußerungen; die entgangenen Lizenzkosten bei vorsätzlicher Verletzung geistigen Eigentums.[54] Sofern Daten verloren gehen, sind zwar die Wiederherstellungskosten vom Versicherungsschutz umfasst (siehe Rdn 20), bei Unmöglichkeit der Wiederherstellung tritt an diese Stelle jedoch kein "Surrogationsschadenersatz". Bei Personenschäden sind als unmittelbare Schäden z.B. die Heilbehandlungskosten ersatzfähig, die z.B. vom Versicherungsnehmer aufgewendet werden müssen, um die Körperverletzung des Sicherheitspersonals, das den Mitarbeiter von einem nächtlichen Diebstahl abgehalten hatte, ärztlich versorgen zu lassen. Der Erwerbsausfallschaden, die Minderung der Erwerbsfähigkeit und der Haushaltsführungsschaden sind dagegen als mittelbare Schäden vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.

[44] Vgl. BGH VersR 2011, 1392. Daneben wird dieser Aspekt bereits durch die Versicherungshöchstsumme in § 23 AVB-VSV/K (§ 46 AVB-VSV/P) geregelt.
[45] So noch Bergeest, S. 69.
[46] Vgl. §§ 844, 845 BGB.
[47] Vgl. ausführliche Darstellung bei Lange/Schiemann/Lange, Schadensersatzrecht, S. 62 f.; Vgl. ferner Schimikowski, r+s 2012, 105.
[48] Vgl. BGH VersR 2011, 1392, 1394; ebenso MüKo-VVG/Grote, Vertrauensschadenversicherung, Rn 50 ff. m.w.N.
[49] Typische Folgeschäden sind etwa die im Rahmen der Schadenabwicklung entstehenden Kosten.
[50] R. Koch, Vertrauensschadenversicherung, Rn 235 ff.; im Übrigen ist der genaue Inhalt im Wege der Auslegung insbesondere der Haftungsbegrenzungsklausel selbst zu ermitteln, vgl. BGH VersR 2011, 1392, 1394 m.w.N.
[51] Bußgelder können dem Unternehmen auferlegt werden bei Eigenschäden durch vorsätzliche unerlaubte Handlungen der Mitarbeiter, wenn damit zusammen der Tatbestand der Aufsichtspflichtverletzung der Geschäftsleitung nach §§ 130, 30 OWiG erfüllt ist.
[52] Letztere werden nach Maßgabe der §§ 22 AVB-VSV/P jedoch insoweit ersetzt, als da...

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