Rz. 57

Hinsichtlich der Anforderungen, die an den Nachweis der Schadenersatzpflichtigkeit sowohl bei Eigen- als auch bei Fremdschäden durch den Versicherungsnehmer zu stellen sind, statuiert § 2 AVB-VSV für den Fall der Eigenschäden, dass hierzu der Nachweis einer Differenz zwischen Soll- und Istbestand – sog. Inventurdifferenz – nicht ausreichen soll. Zu beachten ist, dass betrieblich veranlasste Ermittlungen nur nach Maßgabe des § 32 BDSG unter den dort statuierten Voraussetzungen zulässig sind, wobei sich speziell bei der Aufklärung von Compliance-Verstößen durch Interviews eine Reihe von Besonderheiten ergeben.[96] Ebenso ist die Videoüberwachung am Arbeitsplatz grds. nur dann zulässig, wenn der Arbeitgeber bereits einen konkreten Verdacht hat und andere, weniger einschneidende Maßnahmen zur Aufklärung des Verdachts nicht in Betracht kommen.[97]

 

Rz. 58

Ein schriftliches Schuldanerkenntnis der ungetreuen Vertrauensperson ist grundsätzlich geeignet, eine mit dem Schaden deckungsgleiche Erklärung über die Verantwortlichkeit der Schadensverursachung darzustellen. Zu beachten sind die Grenzen, die die Rechtsprechung für die Fallgruppe der Sittenwidrigkeit vom Arbeitgeber eingeforderter Schuldurkunden aufgestellt, aber durch Entscheidungen jüngeren Datums zugunsten des Arbeitgebers wieder abgemildert hat.[98] Während dem Arbeitnehmer beim deklaratorischen Schuldanerkenntnis die Einwendungen abgeschnitten werden, die er bei Abgabe des Anerkenntnisses kannte oder mit denen er zumindest rechnete, bleiben Einwände möglich, die die Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB oder eine mögliche Anfechtung nach §§ 123 Abs. 1, 142 Abs. 1 BGB betreffen. Sittenwidrigkeit wird bei einer die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Schuldners weit übersteigenden Verpflichtung angenommen, wenn zusätzliche, dem Gläubiger zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, dass der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Schuldners ausnutzt, oder ihn auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt bspw. mit einer (sozial ungerechtfertigten) Kündigung droht.[99] Allein die Tatsache, dass der anerkannte Sachverhalt sich nur schwierig oder gar nicht hätte beweisen lassen, stellt jedenfalls kein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung dar.

 

Rz. 59

In jedem Falle ist der betroffenen Vertrauensperson eine angemessene Überlegungsfrist einzuräumen und für die Gefahr, dass das Schuldanerkenntnis durch Anfechtung wegen Drohung beanstandet wird, eine Beurkundung durch den Notar zu veranlassen, die mit einer wirksamen Vollstreckungsunterwerfungserklärung gem. § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO auch für den Versicherer Vorteile bringt, da Vollstreckungstitel wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlungen in der Zwangsvollstreckung gem. § 850 lit. f ZPO und § 302 Nr. 1 InsO privilegiert werden.[100]

 

Rz. 60

Bei rechtswidrig erlangten Informationen[101] ist fraglich, ob sie zum Nachweis des Versicherungsfalls genügen können. Denn der Versicherer wird nach der Schadenregulierung versuchen, den im Wege der cessio legis übergegangenen Haftpflichtanspruch notfalls gerichtlich durchzusetzen. Ein Beweisverwertungsverbot existiert im Zivilprozessrecht aber nur, soweit die Sanktion unter Beachtung des Schutzzwecks der verletzten Norm zwingend geboten ist.[102] Auch ist damit grds. das sog. Prozessrisiko des Versicherers betroffen, das er bereits bei der Prämienkalkulation hat berücksichtigen können.

 

Rz. 61

Soweit aber im Haftpflichtprozess die Information als beweistauglich gewertet wurde, ist sie grds. auch wegen der Bindungswirkung des Haftpflicht- auf den Deckungsprozess geeignet, den Nachweis des Versicherungsfalls zu erbringen.[103]

 

Rz. 62

Verstößt die Verletzungshandlung gegen ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB erfolgt die Entschädigungsleistung des Versicherers nur, wenn das beweis- und darlegungsbelastete versicherte Unternehmen sowohl den für die Verwirklichung der Straftatbestände erforderlichen objektiven Tatbestand als auch das im Rahmen der Deliktshaftung erforderliche Verschulden nachweist, wobei grds. kein Anscheinsbeweis für die vorsätzliche Verwirklichung einer Straftat spricht (zum Bezugsgegenstand des Verschuldens siehe Rdn 47).[104] In Ausnahmefällen kann aber aus der Motivation des Täters, sich durch die unerlaubte Handlung zu bereichern, auf das Vorliegen einer vorsätzlichen Tatbestandsverwirklichung geschlossen werden. Darüber hinaus ist die Bereicherungsabsicht aber nur von Bedeutung, sofern sie ausdrücklich zur Voraussetzung für die Versicherungsleistung gemacht wird, was namentlich bei Eingriffen Dritter in das EDV-System gem. §§ 15 ff. AVB-VSV/P sowie bei Schäden der Fall ist, die durch bestellte Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer (u.w.m.) gem. § 15 Nr. 1 AVB-VSV/K, § 35 Nr. 1 AVB-VSV/P verursacht werden. Jedenfalls kann bei Verletzungshandlungen im Rahmen de...

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