Rz. 47

Für die Auslegung des Begriffs der vorsätzlichen Handlung ist auf allgemeine zivilrechtliche Grundsätze zurückzugreifen, wobei § 276 BGB hierzu keine Legaldefinition aufstellt.[65] Nach ständiger Rechtsprechung und allgemeiner Meinung ist unter Vorsatz das Wissen und Wollen des pflichtwidrigen Erfolges zu verstehen, wobei sich das voluntative Element nur auf den Verletzungserfolg – bei § 823 Abs. 2 BGB auf das betroffene Schutzgesetz –, nicht aber auch auf den Schaden beziehen muss.[66] Abweichend von der herrschenden Auffassung zum strafrechtlichen Vorsatzbegriff i.S.d. § 15 StGB muss das Wissen um die Rechtswidrigkeit, das sog. Unrechtsbewusstsein, nach zivilrechtlichen Grundsätzen vom Verletzungsvorsatz umfasst sein. Daher schließt regelmäßig das Vorliegen eines Irrtums (Tatumstandsirrtum, Rechtsirrtum) beim Schädiger das Tatbestandsmerkmal des Vorsatzes aus, es sei denn, der Täter verwirklicht unter fahrlässiger Verkennung der Rechtslage ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB.[67]

 

Rz. 48

Als schadenstiftende Handlung kommt in der VSV sowohl positives Tun als auch pflichtwidriges Unterlassen in Betracht, wobei sich die Garantenstellung bspw. für den Fall der Unterschlagung von Vermögenswerten durch einen mit einem außenstehenden Dritten kollusiv zusammenwirkenden Arbeitnehmer regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag ergibt.[68]

[65] Der historische Gesetzgeber hatte es nicht für erforderlich gehalten, den Begriff des Vorsatzes, so wie er im Strafrecht verwendet wird, näher zu definieren, während bei der Fahrlässigkeit zum Ausdruck gelangen musste, dass ein objektiver Maßstab anzulegen ist; vgl. Mugdan, die gesamten Materialien zum Bürgerlichen Gesetzbuch für das deutsche Reich, Bd. I (1899), Protokolle zum Allg. Theile des BGB, S. 765.
[66] Vgl. Palandt/Grüneberg, § 276 Rn 10 m.w.N. Nur bei § 826 BGB muss sich der Vorsatz auch auf die Schadensfolgen erstrecken.
[67] Bsp.: Ist der Arbeitnehmer in dem Glauben, sich aus der Kasse bedienen zu können, da ihm der Arbeitgeber noch Geld schulde, kann er sich nicht darauf berufen, dass ihm bei der Begehung der Tat die Einsicht gefehlt habe, Unrecht zu begehen; vgl. auch R. Koch, Vertrauensschadenversicherung, Rn 140.
[68] Für die Zurechenbarkeit von Schäden infolge von Betriebs- und Wirtschaftsspionage weiterführend Kiethe/Groeschke, WRP 2005, 1358.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge