1. Bewertungszeitpunkt

 

Rz. 267

Die Bewertung ergänzungspflichtiger Schenkungen erfolgt grundsätzlich nach den gleichen Prinzipien wie bei der Berechnung des Nachlasswerts zur Bestimmung des ordentlichen Pflichtteils.[787] Im Regelfall ist also der Verkehrswert maßgeblich (§ 2311 BGB), bei Landgütern der zumeist wesentlich niedrigere Ertragswert gem. § 2312 BGB, dessen Voraussetzungen aber nicht nur im Übergabezeitpunkt, sondern auch noch beim Erbfall vorliegen müssen.[788] Während bei der Bewertung des realen Nachlasses eindeutig der Todestag des Erblassers den Stichtag bildet,[789] stellt das Gesetz in § 2325 Abs. 2 BGB für die Bewertung des Geschenks besondere Regeln auf:

 

Rz. 268

Bei verbrauchbaren Sachen i.S.d. § 92 BGB[790] kommt es für die Bewertung grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Zuwendung an.[791] Maßgeblich ist ihr Wert im Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung. Die Geldentwertung ist entsprechend der Entwicklung des allgemeinen Lebenshaltungskostenindexes auszugleichen.[792] Ob die zugewendeten Gegenstände zwischenzeitlich tatsächlich verbraucht wurden oder sonst wie untergegangen sind, spielt keine Rolle.[793]

 

Rz. 269

Für nicht verbrauchbare Gegenstände, insbesondere Immobilien, gilt das sog. Niederstwertprinzip[794] des § 2325 Abs. 2 S. 2 BGB. Dementsprechend sind die Werte des verschenkten Gegenstands zum Zeitpunkt der Schenkung[795] und zum Zeitpunkt des Erbfalls miteinander zu vergleichen, wobei der Wert im Zeitpunkt der Schenkung anhand des Lebenshaltungskostenindexes auf den Zeitpunkt des Erbfalls zu indexieren ist.[796] Der niedrigere von beiden Werten ist der Berechnung des Ergänzungsanspruchs zugrunde zu legen.[797]

 

Rz. 270

Wertsteigerungen zwischen dem Zeitpunkt der Ausführung der Schenkung und dem Erbfall kommen dem Pflichtteilsberechtigten nach dieser Methodik nicht zugute. Andererseits nimmt der Pflichtteilsergänzungsberechtigte aber am Risiko einer zwischenzeitlichen Wertverringerung in Höhe seiner Quote teil.[798] Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass der Berechtigte stets nur um den Betrag "geschädigt" sein könne, dessen sich der Erblasser selbst unentgeltlich entäußert habe.[799]

[787] MüKo/Lange, § 2325 Rn 47.
[788] Vgl. BGH NJW 1995, 1352.
[789] § 2311 BGB; vgl. Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 30, 31.
[790] Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 92; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 74.
[791] BGH NJW 1964, 1323. Verbrauchbare Sachen i.S.v. § 2325 Abs. 2 BGB sind aber auch diejenigen Gegenstände, die grundsätzlich zur Veräußerung bestimmt sind und die als solche keinen eigentlichen Gebrauchswert haben, z.B. Geld oder Wertpapiere, Grüneberg/Ellenberger, § 92 Rn 2; vgl. auch Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 92.
[792] BGH NJW 1983, 1485; OLG Koblenz ZErb 2006, 419; MüKo/Lange, § 2325 Rn 48; vgl. auch BGH NJW 1975, 1831, 1833; Lange/Kuchinke, § 37 VI 1 d; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 75; Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht § 7 Rn 96.
[793] Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2325 Rn 120.
[794] Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2325 Rn 121.
[795] Bei Grundstücken die Eigentumsumschreibung im Grundbuch, BGHZ 65, 75 = NJW 1975, 1831; bei Gesellschaftsanteilen deren Übergang, BGH NJW 1993, 2737, 2738. Der BGH wendet das Niederstwertprinzip – systemwidrig – auch auf beim Erbfall noch nicht vollzogene Schenkungsversprechen an, vgl. BGHZ 85, 274, 282 = NJW 1983, 1485; ebenso OLG Brandenburg FamRZ 1998, 1265, 1266; unklar: BGH NJW 1993, 2737, 2738.
[796] BGHZ 65, 75.
[797] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 78; Grüneberg/Weidlich, § 2325 Rn 18.
[798] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 79.
[799] Prot. V S. 583 f.; Staudinger/v. Olshausen, § 2325 Rn 96; MüKo/Lange, § 2325 Rn 49.

2. Bewertung vorbehaltener Rechte

 

Rz. 271

Werden bei der Schenkung Nutzungsrechte, z.B. ein Nießbrauchs- oder Wohnungsrecht,[800] vorbehalten, bereitet die Feststellung des Werts nach dem Niederstwertprinzip erhebliche Schwierigkeiten.[801] Der BGH favorisiert insoweit eine mehrstufige Berechnung.[802]

 

Rz. 272

In der ersten Stufe wird zunächst der niedrigere Wert (im Zeitpunkt der Schenkung oder im Zeitpunkt des Erbfalls) bestimmt. Die vorbehaltenen Nutzungsrechte bleiben hierbei unberücksichtigt.[803] Ergibt sich auf dieser Grundlage, dass der Wert im Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich ist, wird in der zweiten Stufe der Wert der Zuwendung unter Berücksichtigung des Nießbrauchs[804] (und wiederum des seitdem eingetretenen Kaufkraftschwundes) ermittelt.[805] Ist dagegen der Wert des Gegenstands im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich, bleibt der Nießbrauch endgültig unberücksichtigt,[806] da er nach Wegfall des Berechtigten keine Belastung mehr darstellen kann. Gleiches hat der BGH auch für die Einräumung eines Wohnrechts entschieden.[807] Die Art und Weise der Entstehung des Nutzungsrechts spielt für die Anwendung der geschilderten Bewertungsmethode übrigens keine Rolle.[808] Die dargestellte Rechtsprechung kann als gefestigt anges...

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