Rz. 261

Inhalt des Pflichtteilsergänzungsanspruchs gegen den Erben ist der Betrag, um den sich der Pflichtteil erhöht, wenn der verschenkte Gegenstand dem Nachlass hinzugerechnet wird.[770] Somit ist es möglich, dass sich bei einem negativen Wert des realen Nachlasses durch Addition der Werte der ergänzungspflichtigen Zuwendungen ein positiver Gesamtnachlass und somit ein Pflichtteilsergänzungsanspruch ergibt.[771] Bleibt der Nachlasswert auch nach Hinzurechnung der lebzeitigen Schenkungen negativ (oder Null), ist für einen Pflichtteilsergänzungsanspruch aber kein Raum. Dem Pflichtteilsberechtigten hätte, auch wenn der reale Nachlass nicht durch die Schenkung gemindert worden wäre, kein Pflichtteilsanspruch zugestanden.[772]

 

Rz. 262

Nach dem Wortlaut des § 2325 Abs. 1 BGB ist der Pflichtteilsergänzungsanspruch durch Subtraktion des ordentlichen Pflichtteils vom Gesamtpflichtteil zu ermitteln (Substraktionsmethode).[773] Dabei ist zu beachten, dass die Berechnung für jeden Pflichtteilsberechtigten gesondert erfolgen muss.[774] Im Einzelnen stellt sich der Berechnungsmodus wie folgt dar: Im ersten Schritt ist der reale Nachlass zu bestimmen und daraus der ordentliche Pflichtteil zu berechnen. Anschließend wird durch Hinzurechnung aller[775] ergänzungspflichtigen Schenkungen der fiktive (Ergänzungs-)Nachlass ermittelt. Hierbei ist auch die in § 2325 Abs. 3 BGB geregelte Zeitkomponente, also die Abschmelzung der in den Ergänzungsanspruch einzubeziehenden Werte, zu berücksichtigen. Es sind also nur die gekürzten Werte in den Ergänzungsnachlass einzubeziehen. Durch Anwendung der Erbquote des Pflichtteilsberechtigten ergibt sich dessen fiktiver (gesetzlicher) Erbteil, aus dem durch Halbierung (§ 2303 BGB) der Gesamtpflichtteil abzuleiten ist. Vom Gesamtpflichtteil wird dann im letzten Schritt der ordentliche Pflichtteil abgezogen, sodass im Ergebnis der Ergänzungspflichtteil verbleibt.[776]

 

Rz. 263

 

Praxishinweis

Diese vermeintlich umständliche Vorgehensweise wird in der Praxis oftmals abgekürzt und der Pflichtteilsergänzungsanspruch direkt aus der Schenkung berechnet. Dies führt aber nur dann zu richtigen Ergebnissen, wenn der reale Nachlass keinen negativen Wert hat[777] und auch kein anderer Sonderfall (z.B. Einsetzung des Pflichtteilsberechtigten zum Miterben oder zum Vermächtnisnehmer, § 2326 BGB, oder Eigengeschenk des Pflichtteilsberechtigten, § 2327 BGB) vorliegt.[778]

[770] Vgl. hierzu Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 120; Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 132.
[771] Vgl. MüKo/Lange, § 2325 Rn 45.
[772] Vgl. RG JR 1927 Nr. 1655; Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 133 m.w.N.
[773] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 121; Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 134 mit genauer Beschreibung des Berechnungsvorgangs und Formel.
[774] Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 137.
[775] Vgl. Mot. V S. 462, 467.
[776] Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2325 Rn 101.
[777] Schanbacher, ZEV 1997, 349, 350; Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 136.
[778] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 9 Rn 122.

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