1. Grundsätzliches

 

Rz. 199

§ 2314 BGB gibt dem Berechtigten nicht nur einen, sondern vielmehr eine ganze Auswahl von nebeneinander bestehenden Ansprüchen an die Hand, durch deren Geltendmachung er nacheinander in ansteigender Intensität seine Informationsrechte einfordern kann.[603] Auch wenn sich grundsätzlich die Form der Auskunft nach § 260 BGB richtet, besteht i.d.R. § 2314 BGB die Besonderheit, dass der Pflichtteilsberechtigte seine Zuziehung bei der Aufnahme des Verzeichnisses verlangen kann. Außerdem hat er die Möglichkeit, neben einem privaten Verzeichnis auch ein behördlich bzw. notariell aufgenommenes Verzeichnis zu verlangen. Bestehen Zweifel daran, dass der Verpflichtete die Auskunft wahrheitsgemäß und vollständig bzw. mit der erforderlichen Sorgfalt erteilt hat, kann auch (sozusagen als letztes Druckmittel) die Abgabe einer Versicherung an Eides statt verlangt werden.

[603] BGHZ 33, 373, 375; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1236, 1239; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 35; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 11 Rn 13.

2. Privates Bestandsverzeichnis

 

Rz. 200

Eine bestimmte Form ist für das Nachlassverzeichnis nicht vorgeschrieben.[604] Es muss alle tatsächlich vorhandenen sowie die fiktiven Nachlassgegenstände und ggf. Schulden in übersichtlicher Darstellung beinhalten. Es empfiehlt sich daher, Aktiva und Passiva getrennt voneinander auszuweisen und die Angaben zum Nachlassbestand von den rechtlichen Ausführungen zu trennen.[605] Allerdings hat der Pflichtteilsberechtigte keinen Anspruch auf die Vorlage eines Gesamtverzeichnisses; die Vorlage mehrerer Teilverzeichnisse genügt, wenn dadurch insgesamt alle geschuldeten Informationen in geeigneter Form erteilt werden.[606] Vor diesem Hintergrund kann auch die Ergänzung eines bereits bestehenden Verzeichnisses (z.B. das dem Nachlassgericht im Testamentseröffnungsverfahren vorgelegte Verzeichnis oder ein Nachlassverzeichnis des Testamentsvollstreckers) genügen.[607]

 

Rz. 201

In der Praxis hat sich die Abfassung des Nachlassverzeichnisses in der Form einer Bilanz bewährt.[608] Eine Bewertung der einzelnen Posten ist nicht erforderlich. Auf der Passivseite muss aber wenigstens der Rechtsgrund der einzelnen Nachlassverbindlichkeiten angegeben werden.[609] Eine Unterzeichnung des Verzeichnisses ist nicht vonnöten.[610]

[604] Dennoch steht die Art und Weise der Erfüllung des Auskunftsanspruchs nicht im Belieben des Schuldners, vgl. OLG Oldenburg FamRZ 2000, 62.
[605] Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 38.
[606] BGH LM § 260 Nr. 14 = FamRZ 1962, 429; OLG Brandenburg FamRZ 1998, 179; HansOLG Bremen OLGE 97, 89, 90; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 38; Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 11 Rn 41.
[607] OLG Brandenburg FamRZ 1998, 179, 180, 181; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 38.
[608] Vgl. Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2314 Rn 22; Klingelhöffer, Pflichtteilsrecht, Rn 150; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 38.
[610] Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 38; Soergel/Dieckmann, § 2314 Rn 20; a.A. OLG Brandenburg ZErb 2009, 132, 133.

3. Amtliches bzw. notarielles Nachlassverzeichnis

 

Rz. 202

Neben dem privaten kann der Pflichtteilsberechtigte auch ein amtliches bzw. notarielles Nachlassverzeichnis verlangen. Voraussetzung hierfür ist lediglich das grundsätzliche Bestehen eines Auskunftsanspruchs nach § 2314 BGB. Weitere Bedingungen existieren nicht. Insbesondere wird das Recht auf ein amtliches Verzeichnis nicht durch die bereits erfolgte Vorlage eines privaten Nachlassverzeichnisverzeichnisses ausgeschlossen.[611] Beide Ansprüche bestehen kumulativ.[612] Auch die erfolgreiche Klage auf Erteilung der privaten Auskunft und die anschließende Erfüllung des titulierten Anspruchs ändern hieran nichts,[613] ebenso wenig die Zuziehung des Pflichtteilsberechtigten bei der Erstellung des Verzeichnisses.[614] Allerdings ist nach Vorlage eines amtlich erstellten Verzeichnisses die Anforderung eines privaten Nachlassverzeichnisses regelmäßig rechtsmissbräuchlich.[615] Außerdem darf der Erbe die Einholung eines notariellen Nachlassverzeichnisses verweigern, wenn ein Aktivnachlass, aus dem die anfallenden Notarkosten gedeckt werden können, nicht vorhanden ist.[616]

 

Rz. 203

Die Aufnahme des amtlichen Verzeichnisses ist eine Beurkundungshandlung und obliegt daher nach Bundesrecht grundsätzlich dem Notar (§ 20 Abs. 1 BNotO). Da der Pflichtteilsberechtigte selbst nicht antragsberechtigt ist,[617] kann er seinen Anspruch auf Erstellung des amtlichen Verzeichnisses nicht selbst, also ohne Mitwirkung des Erben, durchsetzen. Erforderlichenfalls muss er den Erben auf entsprechende Beauftragung des Notars verklagen.

 

Rz. 204

Inhaltlich sind das private und das notarielle Nachlassverzeichnis grundsätzlich identisch.[618]

 

Rz. 205

Die Aufnahme des Verzeichnisses kann nach der freien Entscheidung des Notars auch in dessen Amtsräumen erfolgen.[619] Etwas anderes gilt aber sicherlich dann, wenn zum Nachlass Vermögensgegenstände gehören, deren Einordnung – z.B. als Landgut i.S.v. § 2312 BGB – nicht eindeutig ist. In derartigen Fällen ist vom Notar zu erwarten, dass er sich vor Or...

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