I. Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch

 

Rz. 183

Wie gesehen, benötigt der Pflichtteilsberechtigte zur Berechnung seines Anspruchs Informationen über den Bestand und Wert des pflichtteilsrelevanten Nachlasses sowie bzgl. seiner Erb- und Pflichtteilsquote. Oftmals hat er aber keine Möglichkeit, sich selbst das erforderliche Wissen zu beschaffen, sodass er zur Verwirklichung seines Anspruchs auf die Angaben des Erben (oder anderer Dritter) angewiesen ist. Auch die mittlerweile anerkannte Möglichkeit des Pflichtteilsberechtigten, Grundbücher einzusehen[570] und sich hierdurch selbst ein Bild von der Eigentumshistorie bestimmter Grundstücke zu machen, ändert hieran im Ergebnis wenig.

 

Rz. 184

In § 2314 BGB räumt das Gesetz dem Pflichtteilsberechtigten daher einen selbstständigen, neben dem eigentlichen Zahlungsanspruch stehenden Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch ein, mit dessen Hilfe er die Bekanntgabe der für ihn maßgeblichen Umständen erforderlichenfalls erzwingen kann. Diese beiden Ansprüche sind grundsätzlich unabhängig voneinander. Anspruchsvoraussetzung ist in beiden Fällen der Nachweis der grundsätzlichen Pflichtteilsberechtigung.[571] Der Wertermittlungsanspruch setzt zusätzlich den Nachweis der Zugehörigkeit des zu bewertenden Gegenstands zum (realen oder fiktiven) Nachlass voraus.[572]

II. Auskunftsberechtigte Personen

1. Pflichtteilsberechtigter Nichterbe

 

Rz. 185

Dem Wortlaut nach setzt § 2314 BGB voraus, dass der Anspruchsberechtigte pflichtteilsberechtigter Nichterbe i.S.d. §§ 2303, 2309 BGB ist.[573] Auskunftsberechtigt sind daher auf jeden Fall die enterbten Abkömmlinge des Erblassers, der enterbte Ehegatte und der enterbte Elternteil, soweit er nicht durch Erben erster Ordnung vom Pflichtteil ausgeschlossen ist. Daneben sind auch diejenigen zum Kreis der Pflichtteilsberechtigten gehörenden Erben, die den ihnen hinterlassenen Erbteil – ohne Verlust des Pflichtteilsrechts – ausgeschlagen haben (Fälle der §§ 2305, 2306 Abs. 1 S. 2 BGB), auskunftsberechtigt,[574] ebenso der nicht zum Erben berufene Vermächtnisnehmer i.S.d. § 2307 BGB.[575]

 

Rz. 186

Zum Kreis der Nichterben gehört regelmäßig auch der geschiedene Ehegatte. Er ist zwar nicht pflichtteilsberechtigt, aber ihm steht gem. §§ 1386b, 2314 BGB analog ein Auskunftsanspruch zu, wenn er gegenüber dem Erblasser unterhaltsberechtigt war.[576]

[573] BGH NJW 1981, 2051, 2052; vgl. auch OLG München ZErb 2009, 228.
[574] OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 512.
[575] MüKo/Lange, § 2314 Rn 36. Ob er das Vermächtnis annimmt oder ausschlägt, spielt keine Rolle, ebensowenig ob der Wert des Vermächtnisses den Pflichtteil unter- oder überschreitet, da er auf jeden Fall Nichterbe ist; BGH NJW 1958, 1964, 1965 f.; OLG Düsseldorf FamRZ 1995, 1236, 1237; OLG Oldenburg NJW-RR 1993, 782, 783; OLG Köln NJW-RR 1992, 8.
[576] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 11 Rn 15.

2. Pflichtteilsberechtigter Erbe

 

Rz. 187

Vom Wortlaut der Vorschrift her ist klar, dass ein Auskunftsanspruch zugunsten des Erben grundsätzlich nicht besteht. Dies wird aber bestimmten Sondersituationen, in denen der Miterbe unter ähnlichen Wissensdefiziten zu leiden hat, wie der pflichtteilsberechtigte Nichterbe, nicht gerecht.[577] Aus diesem Grunde billigt die h.M. in bestimmten Fällen auch dem pflichtteilsberechtigten Erben einen Auskunftsanspruch – gegenüber seinen Miterben – zu.[578] Dagegen kann der Allein- oder Vertragserbe gegenüber einem nicht als Erben berufenen Dritten, namentlich dem vom Erblasser Beschenkten, nur Auskunftsansprüche nach den Grundsätzen des § 242 BGB geltend machen.[579] § 2314 BGB gilt für ihn nicht.

[577] Hat der Erblasser bspw. zu seinen Lebzeiten den Großteil seines Vermögens auf eine Person übertragen, die später gemeinsam mit den pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen Erbe wird, greifen die dem Miterben typischerweise zukommenden Informationsrechte nicht durch, sodass die Pflichtteilsberechtigten praktisch keine Möglichkeit hätten, Art und Umfang der lebzeitigen Zuwendungen in Erfahrung zu bringen, wenn zum Nachlass keine hierüber Aufschluss gebenden Dokumente vorhanden sind, LG Kleve NJW-RR 1987, 782; Dieckmann, NJW 1988, 1809, 1814; vgl. auch Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 23 mit entsprechendem Beispiel.
[578] Vgl. Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2314 Rn 3 m.w.N.
[579] Vgl. zum Alleinerben: BGH NJW 1973, 1876, 1877; Soergel/Dieckmann, § 2314 Rn 26; zum Vertragserben: BGHZ 97, 188, 192 f.; Staudinger/Herzog, § 2314 Rn 26. Diese Ungleichbehandlung gegenüber dem pflichtteilsberechtigten Miterben ist bereits aus dem Grund gerechtfertigt, dass den Beschenkten nur im Hinblick auf § 2329 BGB überhaupt irgendwelche Verpflichtungen treffen können, vgl. Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2314 Rn 6.

3. Mehrheit von Auskunftsberechtigten

 

Rz. 188

Sind mehrere Pflichtteilsberechtigte vorhanden, kann jeder von ihnen isoliert seine Auskunftsansprüche geltend machen; eine Gesamtgläubigerschaft besteht nicht. Selbst wenn eine gemeinsame Auskunftsklage erhoben wurde, kann jeder ...

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