Rz. 271

Werden bei der Schenkung Nutzungsrechte, z.B. ein Nießbrauchs- oder Wohnungsrecht,[800] vorbehalten, bereitet die Feststellung des Werts nach dem Niederstwertprinzip erhebliche Schwierigkeiten.[801] Der BGH favorisiert insoweit eine mehrstufige Berechnung.[802]

 

Rz. 272

In der ersten Stufe wird zunächst der niedrigere Wert (im Zeitpunkt der Schenkung oder im Zeitpunkt des Erbfalls) bestimmt. Die vorbehaltenen Nutzungsrechte bleiben hierbei unberücksichtigt.[803] Ergibt sich auf dieser Grundlage, dass der Wert im Zeitpunkt der Schenkung maßgeblich ist, wird in der zweiten Stufe der Wert der Zuwendung unter Berücksichtigung des Nießbrauchs[804] (und wiederum des seitdem eingetretenen Kaufkraftschwundes) ermittelt.[805] Ist dagegen der Wert des Gegenstands im Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich, bleibt der Nießbrauch endgültig unberücksichtigt,[806] da er nach Wegfall des Berechtigten keine Belastung mehr darstellen kann. Gleiches hat der BGH auch für die Einräumung eines Wohnrechts entschieden.[807] Die Art und Weise der Entstehung des Nutzungsrechts spielt für die Anwendung der geschilderten Bewertungsmethode übrigens keine Rolle.[808] Die dargestellte Rechtsprechung kann als gefestigt angesehen werden,[809] auch wenn sie weder systematisch noch wirtschaftlich überzeugen kann.[810]

 

Rz. 273

Im Rahmen von Vermögensübergaben im Wege der vorweggenommenen Erbfolge verpflichtet sich der Übernehmer oftmals, den Übergeber bzw. dessen Ehegatten im Bedarfsfall zu Hause zu versorgen und zu pflegen. Da derartige Pflegeverpflichtungen auch erbrechtlich zu berücksichtigen sind, können sie den Wert der jeweiligen Zuwendung oft ganz erheblich mindern.[811] Hierbei ist allerdings zu beachten, dass – angeblich – der Wert in der Vergangenheit erbrachter Dienstleistungen nicht zu indexieren ist.[812]

 

Rz. 274

Nach neuerer Rechtsprechung führen auch Widerrufsvorbehalte zu einer Wertminderung des Übertragungsgegenstands.[813] Gleiches gilt für übernommene Rentenverpflichtungen.[814]

[800] Über die Frage, ob und wie der Nießbrauch berücksichtigt werden soll, bestehen in Rspr. und Lit. unterschiedliche Auffassungen; vgl. nur BGH MDR 1992, 681 ff.; Dingerdissen, JZ 1993, 402 ff.
[801] Vgl. z.B. BGHZ 118, 49, 51; BGH MittBayNot 1996, 307; vgl. zum Ganzen ausf. Reiff, ZEV 1998, 241.
[802] BGH NJW-RR 2006, 265; BGHZ 125, 395, 397 = NJW 1994, 1791; BGHZ 118, 49, 51; BGH NJW 1992, 2887; BGH NJW 1992, 2888 = FamRZ 1992, 1071; vgl. auch Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 107 m.w.N.; vgl. auch Gehse, RNotZ 2009, 361, 372 ff.
[803] Vgl. Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 107.
[804] Der Nießbrauch ist mit seinem kapitalisierten Jahreswert in Ansatz zu bringen. Dabei ist als Jahreswert der nachhaltig erzielte Nettoertrag (also nach Berücksichtigung der anfallenden Bewirtschaftungs- und Erhaltungsaufwendungen) anzusetzen; OLG Koblenz ZErb 2002, 104 = FamRZ 2002, 772, 773 f. Teilweise wird im Hinblick auf die mit einem lebenslangen Nutzungsrecht für den Inhaber verbundenen Sicherheit ein Aufschlag für gerechtfertigt gehalten, vgl. LG Bonn ZEV 1999, 154, 155; vgl. auch Damrau/Tanck/Riedel, PK Erbrecht, § 2325 Rn 118 f.
[805] MüKo/Lange, § 2325 Rn 53.
[806] BGH ZEV 2006, 265 m. Anm. Joachim; BGH ZEV 1994, 233; BGH FamRZ 1991, 552; OLG Schleswig ZEV 2009, 81; OLG Koblenz ZErb 2006, 419; MüKo/Lange, § 2325 Rn 53 m.w.N.
[807] BGH MittBayNot 1996, 307.
[808] BGHZ 118, 49, 51; BGH NJW-RR 1990, 1158.
[809] So auch Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 109.
[810] Zum Streitstand vgl. Linke, ZEV 2005, 283 f.
[811] OLG Köln FamRZ 1997, 1113; OLG Braunschweig FamRZ 1995, 443, 445 (zu § 2113 BGB); Pawlytta, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 127.
[812] OLG Oldenburg ZErb 2008, 118, das jedoch verkennt, dass sich ersparte Aufwendungen selbstverständlich verzinsen.
[813] OLG Koblenz FamRZ 2002, 772, 774 (10 % des Verkehrswerts); OLG Düsseldorf OLGR 1999, 349; a.A. v. Dickhuth-Harrach, in: FS Rheinisches Notariat, S. 238.
[814] OLG Schleswig-Holstein ZEV 2009, 97.

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