Verfahrensgang

OLG Hamburg (Urteil vom 20.08.1991)

LG Hamburg (Urteil vom 03.05.1990)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts in Hamburg vom 20. August 1991 aufgehoben, soweit der Anschlußberufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 3. Mai 1990 stattgegeben und über die Kosten entschieden worden ist.

Die Anschlußberufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens, ein Drittel der Kosten des Berufungsverfahrens und zwei Fünftel der Kosten erster Instanz zu tragen; im übrigen fallen die Kosten der Beklagten zur Last.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Der Kläger fordert Pflichtteilsergänzung von der Beklagten, seiner Schwester. Die Parteien sind zusammen mit einer weiteren Schwester gesetzliche Miterben zu je 1/3 nach ihrer am 1. Juli 1987 verstorbenen Mutter. Sie hatte mit notariellem Vertrag, der am 1. Februar 1985 im Grundbuch vollzogen wurde, ihr Hausgrundstück auf die Beklagte übertragen und sich ein lebenslanges Altenteilsrecht einräumen lassen, bestehend aus dem unentgeltlichen Wohnrecht an den Räumen im Erdgeschoß sowie der Verpflichtung zur Versorgung und Pflege, soweit sie aus Krankheits- oder Altersgründen ihren Haushalt nicht mehr selbst würde führen können. Der Nachlaß belief sich im Zeitpunkt des Erbfalls auf 36.528,84 DM. Die Parteien streiten über den Wert des Grundbesitzes und des Altenteils.

Das Landgericht hat die Beklagte zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das von der Mutter erhaltene Grundstück wegen 30.162,20 DM verurteilt. Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen; den Verurteilungsbetrag hat es auf die Anschlußberufung des Klägers auf 42.995,67 DM erhöht. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Zurückweisung der Anschlußberufung; das landgerichtliche Urteil nimmt sie hin.

 

Entscheidungsgründe

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Berufungsgericht stellt fest, das Haus sei wegen der Entwicklung des Immobilienmarktes und wegen des Wegfalls der Pflegeverpflichtung im Zeitpunkt des Erbfalls mehr wert gewesen als beim Vollzug der Schenkung, auch wenn man die Geldentwertung berücksichtige. Mithin komme es gemäß § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB (Niederstwertprinzip) auf den 1. Februar 1985 als Bewertungsstichtag an. Das Landgericht habe demgemäß sowohl den Verkehrswert des Hauses als auch den davon abzusetzenden Wert der Pflegeverpflichtung zutreffend bestimmt. Soweit es darüber hinaus für das Wohnrecht noch einen Betrag abgezogen habe, stehe dies zwar in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs; dem könne aber nicht gefolgt werden.

Es sei schon fraglich, ob das Niederstwertprinzip nach seinem Sinn und Zweck auch Wertveränderungen betreffe, die nicht zufällig eintreten, sondern durch rechtsgeschäftliche Belastungen entstehen. Jedenfalls wenn die Beschenkte keine eigenen Aufwendungen zu erbringen habe – wie hier für das Wohnrecht der Mutter –, könne im Verhältnis zwischen ihr und den Pflichtteilsberechtigten nicht von einer Belastung die Rede sein. Vielmehr liege wirtschaftlich ein „gestreckter” Erwerb unbelasteten Eigentums vor, wie er auch in der Rechtsprechung zu § 1374 Abs. 2 BGB anerkannt werde. Der Kläger dürfe im vorliegenden Fall nicht schlechter stehen, als wenn die Mutter nicht das Haus der Beklagten geschenkt, sondern sie als Alleinerben eingesetzt hätte.

2. Der Senat hält demgegenüber an seiner Rechtsprechung fest, die er in seinem Urteil vom 8. April 1992 – IV ZR 2/91 – (zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) ergänzt und bestätigt hat.

a) Danach sind das Wohnrecht und die weiteren Altenteilsrechte, die sich die Erblasserin vorbehalten hat, zunächst für die Frage außer Betracht zu lassen, welcher der beiden in § 2325 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Stichtage maßgebend ist. Gleichwohl bleibt die Auffassung des Berufungsgerichts im Ergebnis richtig, daß als Stichtag vom 1. Februar 1985 auszugehen ist. Hierzu hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Wert des Grundstücks beim Erbfall schon deshalb nicht niedriger gewesen sei als bei Vollzug der Schenkung, weil der Sachverständige zur Ermittlung des Verkehrswerts im Jahre 1985 einen hohen Abschlag von 20 % gemacht habe und sich die Grundstückspreise seither erholt hätten.

b) Bezogen auf den Stichtag des 1. Februar 1985 ist vom Wert des Grundstücks jedoch nicht nur der vom Berufungsgericht berücksichtigte Wert der Pflegeverpflichtung, sondern auch des Wohnrechts abzusetzen. Daß das Wohnrecht die Beklagte hier nicht mit Aufwendungen belastet, ist nicht entscheidend. Vielmehr mindert auch das Wohnrecht den Verkehrswert dessen, was die Erblasserin der Beklagten am 1. Februar 1985 geschenkt hat. Allerdings fällt der Beklagten beim Erbfall auch der bei der Schenkung vorbehaltene Teil der Grundstückssubstanz zu. Deshalb ist die künftige Nutzungsbefugnis der Beklagten bei der Bewertung zu berücksichtigen, soweit sie zum Stichtag des Vollzugs der Schenkung ins Gewicht fällt, auf den der Gesetzgeber die Bewertung bezogen wissen will. Im übrigen kommt die Restsubstanz des Grundstücks, die in der Hand der Erblasserin verblieb, der Erbin und dem Pflichtteilsberechtigten zugute, soweit ihr Wert etwa in Form angesammelter Miet- oder Pachtzinsen oder ersparter Aufwendungen in den Nachlaß gelangt.

c) Das Landgericht, dessen Urteil die Beklagte hinnimmt, hat das Grundstück, das Wohnrecht und die Pflegeverpflichtung zum 1. Februar 1985 bewertet, das Ergebnis jedoch nicht mit Rücksicht auf die Geldentwertung auf das Jahr des Erbfalls umgerechnet. Dazu ist der ermittelte Betrag mit der für das Jahr des Todes der Erblasserin geltenden Preisindexzahl für die Lebenshaltung in langjähriger Übersicht, veröffentlicht im statistischen Jahrbuch, zu multiplizieren und durch die entsprechende Preisindexzahl für das Jahr, in dem die Zuwendung erfolgt ist, zu dividieren (BGHZ 65, 75, 78). Daraus ergibt sich indessen im vorliegenden Fall für die Jahre 1985 und 1987 keine Erhöhung des vom Landgericht angenommenen Betrages. Sein Urteil behält damit Bestand.

 

Unterschriften

Dr. Schmidt-Kessel, Dr. Ritter, Römer, Dr. Schlichting, Terno

 

Fundstellen

Haufe-Index 1128820

NJW 1992, 2888

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