Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichtteilsergänzungsanspruch bei einer Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Wert eines vorbehaltenen Nießbrauchs ist vom Wert eines verschenkten Grundstücks, das mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist, bei der Berechnung von Pflichtteilsergänzungsansprüchen dann nicht in Abzug zu bringen, wenn die mit dem Nießbrauch zusammenhängenden Kosten aus den Erträgnissen der anderen Wohnung (bzw. aus der ersparten Miete bei Selbstnutzung durch den Übernehmer) gedeckt werden können.
2. Handelt es sich um eine Schenkung unter Auflage, so stellt sich die Frage, um welchen Wert der Grundstückswert im Zeitpunkt der Schenkung nach § 2325 II 2 BGB mit Rücksicht auf die Pflegeverpflichtung zu ermäßigen ist, erstmals nach dem Ableben der Erblasserin. Das Gericht ist bei der Bewertung der Pflegeverpflichtung nicht gehindert, die im Zeitpunkt des Erbfalls feststehende Dauer und Intensität der vom Beklagten geleisteten Pflege zu berücksichtigen (nachträgliche Prognose), statt eine Schätzung auf der Basis statistischer Unterlagen über die Lebenserwartung bzw. – falls solche Statistiken überhaupt zur Verfügung stehen – über die statistische Pflegebedürftigkeit der Erblasserin vorzunehmen.
Normenkette
BGB § 2325 I; BGB § 2325 II 2
Verfahrensgang
LG Hamburg (Urteil vom 03.05.1990; Aktenzeichen 79 O 156/89) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 29, vom 3. Mai 1990 wird zurückgewiesen.
Auf die Anschlußberufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 29, vom 3. Mai 1990 abgeändert und zur Klarstellung neu gefaßt.
Die Beklagte wird verurteilt, wegen einer Forderung von 42.995,67 nebst 6 % Zinsen seit dem 16. Januar 1989 die Zwangsvollstreckung des Klägers in das im Grundbuch von Meckelfeld, Band 118, Bl. … eingetragene Grundstück …, zu dulden
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Von der Kosten der ersten Instanz werden dem Kläger 1/5, der Beklagten 4/5 auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,– DM abwenden, sofern nicht der Kläger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Dieses Urteil beschwert die Beklagte um 42.995,67 DM.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien sind Geschwister und neben einer am Rechtsstreit nicht beteiligten weiteren Schwester Miterben zu 1/3 nach ihrer Mutter, der am 1. Juli 1987 im Alter von 80 Jahren verstorbenen Frau … die Parteien streiten über die Höhe des dem Kläger zustehenden Pflichtteilsergänzungsanspruchs.
Der Erblasserin gehörte früher ein Hausgrundstück in …, …, …, das mit einem 2-Familienhaus bebaut ist. Eine Wohnung dieses Hauses bewohnte die Erblasserin bis zu ihrem Tode; die andere wird von der Beklagten bewohnt. Mit notariellem Übergabevertrag vom 25. Oktober 1984 (Anl. K 1) übertrug die Erblasserin das Hausgrundstück auf die Beklagte. In diesem Vertrag, wegen dessen Inhalts im übrigen auf die Anl. K 1 Bezug genommen wird, haben die Erblasserin und die Beklagte u. a. folgendes vereinbart:
§ 2
Die Übertragung erfolgt zu folgenden Bedingungen:
Der Erwerber räumt seiner Mutter, Frau … ein lebenslängliches Altenteilsrecht ein, das aus folgenden Leistungen bestehen soll:
Der Erwerber gewährt dem Veräußerer ein unentgeltliches ausschließliches Wohnungsrechts in sämtlichen Räumen des Erdgeschosses des auf dem Grundbesitz befindlichen Wohngebäudes, bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad und Flur. Dazu gehört das Recht, die Nebenräume, wie Keller und Boden sowie alle sonstigen dem gemeinsamen Gebrauch dienenden Einrichtungen und Anlagen, insbesondere den Garten mitzubenutzen.
Sämtliche Kosten für die dem Wohnungsrecht unterliegenden Räume trägt der Erwerber, mit Ausnahme der anteiligen Bewirtschaftskosten für Strom, Wasser, Heizung, Müllabfuhr und Schönheitsreparaturen.
Der Erwerber verpflichtet sich zur persönlichen und leiblichen Versorgung von Frau … soweit diese aus Krankheits- bzw. Altersgründen zur Führung eines eigenen Haushalts nicht in der Lage sein sollte. Er hat alles zu unternehmen, was zur Versorgung der Berechtigten erforderlich sein sollte. Dazu gehört es insbesondere, die Wohnung regelmäßig zu reinigen und in einem ordentlichen Zustand zu erhalten, Speisen zuzubereiten sowie Kleidung und Wäsche zu pflegen.
Mit dieser Pflicht zur Hege und Pflege sollen keine Zahlungsverpflichtungen des Erwerbers verbunden sein.
Vorstehendes Altenteilsrecht soll im Grundbuch eingetragen werden. Zur Löschung im Grundbuch soll der Nachweis des Todes der Berechtigten genügen.
Der Jahreswert wird zur Kostenberechnung angegeben mit 1.000,– DM.
Der Erwerber verpflichtet sich für sich und seine Rechtsnachfolger, den vorstehend genannten Grundbesitz auf den Veräußerer zurückzuübertragen:
- Wenn er den übertragenen Grundbesitz ganz oder teilweise entgeltlich oder unentgeltlich ohne Zustimmung des Veräußerers weiter veräußert,
- wenn er den Grundbesitz ohne Z...