Rz. 115

Alle Vermögensgegenstände und Verbindlichkeiten, die durch den Erbfall im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gem. § 1922 BGB auf den bzw. die Erben übergegangen sind, sind in die Nachlassbewertung einzubeziehen.[301] Forderungen und Verbindlichkeiten des Erblassers, die infolge des Erbfalls durch Konfusion bzw. Konsolidation erloschen sind, gelten für Zwecke der Pflichtteilsberechnung als nicht erloschen.[302] Zum Vermögen zählen auf jeden Fall alle Gegenstände, die dem Erblasser gehörten, daneben aber auch sämtliche vermögensrechtlichen Positionen[303] oder Beziehungen, die der Erblasser noch vor seinem Tod eingeleitet hat, die sich aber erst zu einem späteren Zeitpunkt in endgültigen Rechtswirkungen manifestieren.[304]

 

Rz. 116

Schulden, Lasten und Verpflichtungen sind nur insoweit zu berücksichtigen, wie sie auch beim Eintritt der gesetzlichen Erbfolge bestehen würden. Daher sind all diejenigen Verpflichtungen, die aus einer testamentarischen Verfügung des Erblassers herrühren, auszuklammern.[305] Anzusetzen sind aber die Nachlassverbindlichkeiten, die im Zeitpunkt des Erbfalls bereits entstanden (mit Ausnahme der persönlichkeitsbezogenen Pflichten, die nicht vererblich sind)[306] oder wenigstens schon im Keim angelegt waren[307] und die sich nun gegen den Nachlass richten.[308] Dies sind sowohl die Erblasser- als auch die Erbfallschulden.[309]

 

Rz. 117

Da § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB den Pflichtteil als die Hälfte des Werts des gesetzlichen Erbteils definiert, muss für die Bestandsaufnahme unterstellt werden, dass der Pflichtteilsberechtigte im Wege der gesetzlichen Erbfolge selbst Erbe geworden wäre. Alle Verpflichtungen, die ihn bei dieser hypothetischen Betrachtung treffen würden, sind auch bei der Berechnung des Pflichtteils mit zu berücksichtigen.[310]

[301] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 2.
[302] Auch wenn das Gesetz eine ausdrückliche Regelung dieses Gesichtspunkts nicht enthält, entspricht es der absolut h.M., diese Regel aus dem Rechtsgedanken der §§ 1978, 1991 Abs. 2, 2143, 2175 und § 2377 BGB abzuleiten; BGH NJW 1987, 1260, 1262; BGH NJW 1982, 575, 576; BGH DNotZ 1978, 487, 489; Dieckmann, FamRZ 1984, 1980, 1983; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 9; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 15 m.w.N.
[303] Z.B. der Eigenbesitz, vgl. BGH LM § 260 Nr. 1 = JZ 1952, 492.
[304] BGHZ 32, 367, 369; OLG Düsseldorf FamRZ 1997, 1440, 1441; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 13.
[305] OLG Hamburg OLGE 12, 393; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 26; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 22.
[306] OLG Hamm Rpfleger 1979, 17; OLG München Rpfleger 1987, 109, 110.
[307] RG JW 1908, 114; Riedel, in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler, HB Pflichtteilsrecht, § 5 Rn 23; Kröger, BB 1971, 647, 468.
[308] Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 27; fällt bspw. eine Einmann-GmbH in den Nachlass, so sind Geschäftsschulden dieser GmbH nicht (unmittelbar) gegen den Nachlass gerichtet und können daher nicht als Nachlassverbindlichkeiten abgezogen werden.
[309] Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 26; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 11.
[310] Kerscher/Riedel/Lenz, Pflichtteilsrecht, § 7 Rn 11; Soergel/Dieckmann, § 2311 Rn 11; Staudinger/Herzog, § 2311 Rn 26. Aus diesem Grund sind alle vererbbaren (MüKo/Lange, § 2311 Rn 4) und nicht verjährten (Lange/Kuchinke, § 37 VI 7 a) Schulden zum Nachlassbestand zu zählen, soweit sie i.S.d. § 1967 Abs. 2 BGB vom Erblasser "herrühren" (sog. Erblasserschulden), vgl. hierzu MüKo/Lange, § 2311 Rn 15.

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