Rz. 235

Ein Pflichtteilsverzicht im eigentlichen Sinne, also durch Vertrag mit dem Erblasser zu seinen Lebzeiten oder auf andere Weise vor Eintritt des Erbfalls, ist nicht möglich. Dies folgt aus dem Verbot der Erbverträge, Art. 458 S. 2 C.C., und daraus, dass das Recht erst mit dem Erbfall entsteht, vgl. Art. 557 Abs. 2 C.C. Selbst die ausdrückliche Zustimmung des späteren Pflichtteilsberechtigten zu einer lebzeitigen Schenkung des Erblassers hindert ihn nicht daran, später die Herabsetzung dieser Schenkung zu verlangen. Allenfalls ein Verzicht auf Pflichtteilsrechte nach Eintritt des Erbfalls ist formlos möglich.[276] Eine Ausnahme stellt jetzt der Familienvertrag (patto di famiglia) dar (siehe Rdn 211).[277] Hierbei handelt es sich um einen Vertrag, mit dem jemand zu Lebzeiten bereits sein Unternehmen einem seiner Abkömmlinge übergibt. Dieser führt gem. Art. 768-ter Abs. 2 CC dazu, dass die am Vertrag beteiligten Pflichtteilsberechtigten wegen der Übertragung des Unternehmens statt des Pflichtteils nur noch den im Vertrag vereinbarten Geldbetrag beanspruchen können, soweit sie nicht im Vertrag schon ganz oder teilweise hierauf verzichtet haben. Der Vertrag hat für die anderen Abkömmlinge also die Wirkung eines gegenständlich beschränkten Pflichtteilsverzichts. Damit dürfte sich auch den bisher angestellten Spekulationen, ob der Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrages bei Geltung deutschen Erbstatuts aus italienischer Sicht wegen Beeinträchtigung des internationalen ordre public unwirksam sein könnte, endgültig der Boden entzogen sein.

[276] Cendon, Commentario, Art. 590 C.C. Anm. 4.
[277] Hierzu Kindler, FamRZ 2007, 954; Molinari, ZEV 2006, 446; Burchia/Depping, JbItalR 20 (2007) 227.

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