Rz. 584

Die Leichtigkeit, mit der Testamente errichtet werden können,[568] auf der einen Seite, die weite Verfügungsmacht auf der anderen Seite, die erlaubt, den gesamten Nachlass Zufallsbekanntschaften zuzuwenden und hausangehörigen Kindern jede Beteiligung am Nachlass zu versagen, hat Anlass zur Suche nach den Grenzen der Beachtlichkeit von Testamenten gegeben. Ausgangspunkt ist der – unterstellte – Fall, dass ein zerstreuter Erblasser bei der Testamentserrichtung schlicht "vergessen" hatte, bestimmte nahe Angehöriger zu bedenken und somit diese unbeabsichtigt enterbt hat. So bestimmen viele Gesetze, dass nach Errichtung des Testaments geborene Kinder den gesetzlichen Erbteil bzw. den anderen Kindern testamentarisch zugewandten Betrag erhalten, sofern nicht schon aus dem Testament hervorgeht, dass die Übergehung beabsichtigt war oder das Kind schon zu Lebzeiten des Erblassers einen entsprechenden Vermögensvorteil erhalten hat. Andere Gesetze erstrecken dies auf bei Testamentserrichtung lebende Kinder.[569]

 

Rz. 585

In der Praxis geben die entsprechenden Argumente nicht zuletzt Jury-Gerichten Möglichkeiten, von ihnen als zutiefst ungerecht empfundene Nachfolgeregeln zu "korrigieren". Die Rechtsprechung führt dazu, dass enterbte Abkömmlinge das Testament wegen Testierunfähigkeit, Täuschung oder unzulässiger Manipulation des Testators anfechten.

 

Rz. 586

 

Praxishinweis

Um einer Anwendung dieser Regeln vorzubeugen, empfiehlt es sich daher vorsichtshalber, in einem Testament auch (künftige) Abkömmlinge und deren Abkömmlinge, die nichts erhalten sollen, ausdrücklich zu erwähnen. Überlegenswert sind Regelungen für den Fall, dass weitere Abkömmlinge geboren werden oder der Erblasser später heiratet.[570]

[568] So sind Formulare erhältlich, in denen der Erblasser lediglich noch ankreuzen muss und bestimmte Einzelzuweisungen einfüllen kann; leistet er nur die Unterschrift vor zwei Zeugen, sind die Formerfordernisse gewahrt.
[569] McGovern/Kurtz/Rein, Wills, 3. Aufl. 2005, S. 140 – zu Massachusetts.
[570] Nicht erforderlich ist es allerdings, ihnen einen – wenn auch nur minimalen – Vermögensvorteil (a shilling) zuzuwenden: McGovern/Kurtz/Rein, Wills, 3. Aufl. 2005, S. 142.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge