Rz. 322

Die Pflichtteilsentziehung (Enterbung) erfolgt durch Testament. Sie muss nicht ausdrücklich, sondern kann auch konkludent durch Nichterwähnung erfolgen, §772 ABGB. Insbesondere braucht der Erblasser den Grund für die Enterbung nicht zu nennen. Er kann sogar die Enterbung vorsorglich (bedingt) für den Fall erklären, dass später einer der Enterbungsgründe gegeben ist.[358] Ist jemand testamentarisch stillschweigend übergangen worden, kann der Testamentserbe den Beweis führen, dass ein Enterbungsgrund vorlag.

 

Rz. 323

Eine Entziehung des Pflichtteils ist gem. §§ 770, 771 ABGB aus folgenden Gründen zulässig: Wenn der Pflichtteilsberechtigte

gegen den Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,
gegen den Ehegatten, eingetragenen Partner, Lebensgefährten oder Verwandten in gerader Linie, die Geschwister des Verstorbenen und deren Kinder, Ehegatten, eingetragenen Partner oder Lebensgefährten sowie die Stiefkinder des Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,
absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat,
dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat,
sonst seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt hat, oder
wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.
Eine Enterbung in guter Absicht, § 771 ABGB, ist zugunsten der Kinder des Pflichtteilsberechtigten möglich, wenn der Pflichtteilsberechtigte so verschuldet ist oder zur Verschwendung neigt, dass sein Erbe voraussichtlich seinen Kindern entgehen wird. Das kann je nach Umständen des Einzelfalls bei Konkurs, Drogenabhängigkeit oder schwerer Alkoholabhängigkeit gegeben sein.[359]
 

Rz. 324

Die Enterbung lässt bei entsprechender Bedürftigkeit anstelle der Pflichtteile Ansprüche des Ehegatten und der Abkömmlinge gegen den Nachlass bzw. die Erben auf Unterhalt entstehen, § 795 ABGB. Dieser Anspruch geht nur auf den "notwendigen", nicht den standesgemäßen Unterhalt, umfasst also nicht mehr als das Existenzminimum bzw. den Sozialhilfesatz.[360]

[358] Maurer, Erben und Vererben, S. 91.
[359] Ehrenzweig/Kralik, Erbrecht, S. 281.
[360] Samek, Pflichtteilsrecht, S. 89 ff.

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