Rz. 410

Die Ausgleichung (Art. 626 ZGB) findet auch im Rahmen der Noterbfolge statt. Unentgeltliche Zuwendungen auf Anrechnung auf den Erbteil, Ausstattungen etc. unterliegen gem. Art. 527 Ziff. 1 ZGB darüber hinaus der Herabsetzung, "wenn sie nicht der Ausgleichung unterworfen sind". Die in der Schweiz überwiegende Ansicht legt die Bestimmung dahingehend aus, dass die Herabsetzung dann erfolgt, wenn die Ausgleichung nicht erfolgt, weil der Erblasser hiervon befreit hat, oder ggf. auch dann, wenn die Ausstattung nicht an einen Abkömmling erfolgte.[434]

 

Rz. 411

Schenkungen können grundsätzlich nur herabgesetzt werden, soweit sie innerhalb von fünf Jahren vor dem Erbfall "ausgerichtet" (= erfüllt) worden sind, Art. 527 Ziff. 3 ZGB. Diese relativ kurze Frist gilt aber nicht für Schenkungen, die vernünftigerweise nicht anders denn als Umgehung der Pflichtteile erklärbar sind, Art. 527 Nr. 4 ZGB. Eine Sonderregelung für die Fristberechnung bei Schenkungen unter Ehegatten gibt es nicht. Auch für Ehegattenschenkungen beginnt mithin die Fünf-Jahres-Frist mit Erfüllung zu laufen.

 

Rz. 412

Ein Schlupfloch für Zuwendungen ergibt sich hier aus den Grundsätzen für die Bewertung von Lebensversicherungen. Hat der Erblasser einen Dritten als Begünstigten einer auf sein eigenes Ableben abgeschlossenen Lebensversicherung benannt, so wird diese Zuwendung gem. Art. 476, 529 ZGB zur Berechnung der Pflichtteile nicht mit der ausgezahlten Versicherungssumme, sondern mit dem Rückkaufswert der Versicherung bewertet. Da ein Rückkaufswert bei einer reinen Risikolebensversicherung nicht existiert, sind also nach in der Schweiz herrschender Ansicht über eine Risiko-Lebensversicherung von der Pflichtteilsergänzung nicht erfasste Zuwendungen möglich.[435] Art. 476 des Vorschlags zur Änderung des ZGB sieht allerdings hier vor, dass der gesamte Versicherungsbetrag dem Nachlass zugerechnet wird.

Die Errichtung einer Stiftung ist nicht als entgeltliches Geschäft zu qualifizieren. Hier aber bestimmt die stiftungsrechtliche Vorschrift in Art. 82 ZGB ausdrücklich die Anfechtung durch die Erben gleich einer Schenkung.[436]

[434] Werbik, Lebzeitige Zuwendungen, S. 180 f.; Druey, Erbrecht, § 6 Rn 76 m.w.N., insbesondere auch der Rechtsprechung des Bundesgerichts.
[435] Wolf/Dorje-Good, in: Süß, Erbrecht in Europa, Schweiz Rn 127.
[436] Forni/Piatti, in: Basler Kommentar, Art. 527 ZGB Rn 9.

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