Rz. 199

Für die Erbfälle, die vor dem 17.8.2015 eingetreten sind, ist zu beachten, dass Art. 46 Abs. 1 des italienischen Gesetzes über die Reform des Internationalen Privatrechts (IPRG) vom 31.5.1995[228] das Erbstatut – wie die Vorgängernorm in Art. 23 disp. prel. C.C. – an die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpft. Dies gilt für den gesamten Nachlass. Der Erblasser kann durch ausdrückliche testamentarische Rechtswahl[229] die Erbfolge dem Recht des Staates unterstellen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Eine vor dem 17.8.2015 getroffene Rechtswahl bleibt dabei gem. Art. 83 Abs. 2 EUErbVO weiterhin wirksam.

Die Rechtswahl unterliegt jedoch zwei Einschränkungen: Zunächst ist sie nur wirksam, wenn der Erblasser auch bei seinem Tode in dem Staat, dessen Recht er gewählt hat, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Zum anderen können italienische Staatsangehörige durch Rechtswahl nicht die sich aus ihrem italienischen Heimatrecht ergebenden Pflichtteilsrechte der Personen beeinträchtigen, die zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Italien haben. Die in Deutschland lebenden Angehörigen eines italienischen Erblassers könnten also dadurch, dass sie rechtzeitig vor dem Erbfall ihre Wohnung nach Italien verlegen, u.U. ihre Pflichtteile erhöhen, eventuell sogar die Wirkungen eines nach deutschem Recht erklärten Pflichtteilsverzichts beseitigen.[230] Wie sich die Pflichtteilsrechte aus dem italienischen Recht und dem gewählten Recht konkret zueinander verhalten, ist in Italien wohl noch nicht geklärt.[231]

 

Rz. 200

Rückverweisungen werden im italienischen Recht seit Inkrafttreten des IPRG befolgt, Art. 13 Abs. 1 IPRG. Bei Mehrstaatern wird gem. Art. 19 Abs. 2 S. 2 IPRG aus italienischer Sicht stets der italienischen Staatsangehörigkeit der Vorrang gegeben. Trotz Geltung des Heimatrechts in beiden Ländern kommt es damit bei deutsch-italienischen Doppelstaatern zu einem internationalen Entscheidungsdissens.

 

Rz. 201

Der Kassationshof hat 1996 entschieden, dass die Vorschriften über die Noterbrechte nicht in den Schutzbereich des in Art. 16 IPRG kodifizierten internationalen ordre public fallen. Daher sei es – ohne Rücksicht auf die Intensität der Inlandsberührung aus italienischer Sicht – hinzunehmen, wenn das ausländische Erbrecht[232] geringere oder gar keinerlei Pflichtteilsrechte vorsehe.[233]

 

Rz. 202

Dem Haager Testamentsformübereinkommen ist Italien nicht beigetreten. Art. 48 IPRG übernimmt jedoch die wichtigsten Anknüpfungspunkte aus Art. 1 des Übereinkommens. Insbesondere genügt zur Formwirksamkeit des Testaments z.B. die Beachtung des am Errichtungsort geltenden Rechts, des Heimatrechts des Erblassers bei Errichtung oder im Erbfall oder des an seinem gewöhnlichen Aufenthalt bei Errichtung geltenden Rechts.

 

Rz. 203

Auf ab dem 17.8.2015 eingetretene Erbfälle ist auch in Italien das Erbstatut nach den Vorschriften der EUErbVO zu bestimmen.

 

Rz. 204

Das Haager Übereinkommen über das auf Trusts anwendbare Recht und über ihre Anerkennung vom 1.7.1985[234] ist für Italien am 1.1.1992 in Kraft getreten. Dieses Abkommen gilt gemäß seinem Art. 2 auch für testamentarisch errichtete trusts. Dabei sind gem. Art. 11 des Übereinkommens trusts nach dem vom Errichter, bei einem testamentarischen trust also dem Erblasser, ausdrücklich gewählten Recht (Art. 6 Übereinkommen) anzuerkennen. Auf diese Weise erhält der Erblasser über Art. 46 ital. IPRG hinausgehende Rechtswahlmöglichkeiten. Im deutsch-italienischen Rechtsverkehr könnte daher ein deutscher Erblasser seinen in Italien belegenen Nachlass auf diese Weise einem dem trust-Recht von Jersey unterstellen. Ein Italiener dagegen könnte für seinen in Deutschland belegenen Nachlass keinen trust anordnen, weil dieser in Deutschland nicht anerkannt würde (siehe § 18 Rdn 219 ff.). Gem. Art. 15 S. 1 lit. c des Übereinkommens bleibt das Erbrecht einschließlich Testamentsrecht, insbesondere Pflichtteil, durch das Abkommen unberührt. Insoweit ist das Abkommen daher in Bezug auf das internationale Pflichtteilsrecht ohne weitere Bedeutung.[235]

[228] Text und deutsche Übersetzung von Ferid, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Italien Texte A I; von Kronke, in: RabelsZ 61 (1997), 355 = IPRax 1993, 364; von de Meo, in: Riering, IPR-Gesetze in Europa, 1997, S. 46 ff.; bei Süß, ZErb 2000, 50.
[229] Der italienische Text ist in der Hinsicht mehrdeutig, als er sich mit "durch ausdrückliche Erklärung in testamentarischer Form" wie auch mit "durch in testamentarischer Form ausgedrückte Erklärung" übersetzen ließe (Kindler, RabelsZ 61 (1997) 227, 271), was für die Wirksamkeit einer stillschweigenden Rechtswahl entscheidend ist. Die Auslegung ist in der italienischen Lehre umstritten, siehe z.B. Villani Corriere Giuridico, 1995, S. 1249.
[230] Die Abgrenzung zwischen Wirkungsstatut und Errichtungsstatut beim Erbverzicht ist allerdings nicht geklärt (siehe § 18 Rdn 129).
[231] Ausführliche Übersicht bei Kruis, Das italienische internationale Erbrecht, S. 231 ff.
[23...

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