Rz. 107

Gem. Art. 28 des griechischen ZGB von 1940[96] unterliegen die erbrechtlichen Beziehungen dem Recht des Staates, dem der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes angehörte. Eine Rechtswahl wird nicht anerkannt. Damit tritt nach einem griechischen Erblasser keine Rückverweisung auf das deutsche Recht ein.[97] Für die Erbfolge nach einem deutschen Erblasser hingegen gilt auch aus griechischer Sicht ausschließlich deutsches Recht. Bei Mehrstaatern wird aus griechischer Sicht vorrangig auf die griechische Staatsangehörigkeit abgestellt, so dass es bei griechisch-deutschen Doppelstaatern zu einem internationalen Entscheidungsdissens kommt. Rückverweisungen werden aus griechischer Sicht nicht beachtet, Art. 32 ZGB. Nach älterer Lehre verstießen von Deutschen errichtete Erb- und Erbverzichtsverträge gegen den griechischen ordre public.[98] Die Durchsetzbarkeit dieser Verträge vor griechischen Gerichten ist aber weiterhin zweifelhaft.[99] Insoweit besteht also auch bei deutscher Staatsangehörigkeit des Erblassers Vorsicht, wenn eine vertragsmäßige Verfügung in Griechenland belegenes Vermögen erfassen soll.

 

Rz. 108

Das griechische Pflichtteilsrecht findet keine Anwendung nach einem griechischen Erblasser, der zumindest 25 Jahre vor seinem Tod ununterbrochen im Ausland gelebt hat, soweit sich die testamentarischen Verfügungen auf im Ausland belegenes Vermögen beziehen.[100] Nicht bestätigt ist, ob diese Regelung auch nach Inkrafttreten der EUErbVO in Griechenland weiterhin gilt. Ein in Deutschland entsprechend lange lebender Grieche könnte so durch Wahl seines Heimatrechts gem. Art. 22 EUErbVO seine Hinterbliebenen vollständig pflichtteilslos stellen.

[96] Text z.B. in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Griechenland Texte A I; Riering, IPR-Gesetze in Europa, 1997, S. 18.
[97] Dies gilt nach der griechischen Gerichtspraxis auch für die Erbfolge nach einem der überwiegend in Thrazien lebenden griechischen Muslime: Auch diese werden – nach allerdings umstrittener Auffassung – nicht nach islamischen Recht, sondern nach den Bestimmungen des griechischen ZGB beerbt, Demetriou/Gottwald, IPRax 1995, 193.
[98] Georgiades, in: Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Griechenland Grdz. Rn 21. Da durch die Lex Onassis unter besonderen Umständen sogar mit einem Erblasser griechischer Staatsangehörigkeit ein Pflichtteilsverzicht vereinbart werden kann, ist diese Ansicht nach neueren Auffassungen übertrieben (ebenso Mouratidou, Notarius International 2001, 110). Weniger problematisch ist die Anerkennung von gemeinschaftlichen Testamenten, wenn diese nach dem Erbstatut wirksam sind.
[99] Nach Stamatiadis, in: Süß, Erbrecht in Europa, Griechenland Rn 12 wird das ausländische Recht, das solche Verträge kennt, vom griechischen Richter nicht angewandt. Ebenso Zoumpoulis, in: Pamboulis, EU Sucession Regulation, Art. 25 EUErbVO Rn 12.
[100] Art. 21 des Gesetzes 1738/1987 – offen ist, ob man aus deutscher Sicht diesem Zurückweichen des griechischen Rechts nicht eine versteckte Verweisung auf das Aufenthaltsrecht entnehmen will. Das LG Athen, zitiert bei Vlassopoulou, IPRax 2005, 62 Fn 7, geht von einer Sachnorm ohne kollisionsrechtlichen Gehalt aus. Telos dieser merkwürdigen Vorschrift ist, dass der im Ausland lebende griechische Erblasser nicht stärker durch Pflichtteile gebunden sein soll als z.B. seine deutsche Ehefrau (so Vlassopoulou, IPRax 2005, 61). Dem könnte man m.E. sehr wohl eine Verweisung auf das Recht des Aufenthaltsstaates entnehmen.

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