Rz. 3

Das Handelsrechtsreformgesetz hat bereits 1998 die frühere Unterscheidung zwischen Muss- und Sollkaufleuten aufgegeben, die Regelungen zum Kaufmannsbegriff vereinfacht[6] und dadurch die wirtschaftliche Handlungsfreiheit gerade kleinerer und mittelständischer Unternehmen verbessert. Die zum geänderten Recht ergangenen Entscheidungen deuten auf eine weite Auslegung des Kaufmannsbegriffs hin.[7]

[6] Baumbach/Hopt, § 1 Rn 3; Heidel/Schall, § 1 Rn 6; MüKo-HGB/K. Schmidt, § 1 Rn 2.
[7] Siems, Fünf Jahre neuer Kaufmannsbegriff – Eine Bestandsaufnahme der Rechtsprechung, NJW 2003, 1296.

a) Betrieb eines Handelsgewerbes

 

Rz. 4

Kaufmann im Sinne des HGB ist, wer ein Handelsgewerbe betreibt (§ 1 Abs. 1 HGB).[8] Der Betrieb eines Gewerbes ist die selbstständige und berufsmäßige wirtschaftliche und nicht künstlerische, wissenschaftliche oder freiberufliche Tätigkeit in der Absicht dauernder Gewinnerzielung, wobei das Merkmal der Gewinnerzielung in Frage gestellt wird.[9] Der Kaufmannsbegriff erfasst nicht Unternehmen, die nach Art oder Umfang einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb nicht erfordern (§ 1 Abs. 2 HGB).[10] Die Kaufmannseigenschaft entsteht mit dem Betrieb des Handelsgewerbes von Gesetzes wegen ohne weiteres Zutun des Gewerbetreibenden. Die Kaufmannseigenschaft wird vermutet und liegt nur ausnahmsweise ("es sei denn …,") nicht vor.[11] Der Kaufmannsbegriff ist enger als der Unternehmerbegriff des § 14 BGB,[12] wobei der Unternehmerbegriff im BGB nicht einheitlich verwendet wird.[13] Die Auffassung, dass die Gewinnerzielungsabsicht als Tatbestandsmerkmal des Gewerbes verzichtbar ist, hat sich durchgesetzt.[14] Stattdessen soll das Merkmal der Entgeltlichkeit zur Anwendung kommen, so dass z.B. karitative Tätigkeiten auch weiterhin nicht unter den Gewerbebegriff fallen.[15] Voraussetzung ist in der Regel eine marktbezogene Wirtschaftstätigkeit, z.B. die Lieferung von Waren oder das Erbringen von Dienstleistungen.[16] Die bloße Vermögensverwaltung ist hingegen keine marktbezogene Tätigkeit und somit kein Gewerbe.[17]

[8] Heidel/Schall, § 1 Rn 15.
[9] BGHZ 33, 325; BGHZ 53, 223; BGHZ 95, 157; zur Definition siehe MüKo-HGB/K. Schmidt, § 1 Rn 26 ff.; Baumbach/Hopt, § 1 Rn 12, 15 f.; Heidel/Schall, § 1 Rn 15.
[10] Heidel/Schall, § 1 Rn 29.
[11] OLG Hamm v. 13.12.2012 – 4 U 107/12, juris; Baumbach/Hopt, § 1 Rn 5; Heidel/Schall, § 1 Rn 42.
[13] Palandt/Ellenberger, § 14 BGB Rn 1; der Unternehmer i.S.d. § 631 BGB kann Verbraucher i.S.d. §§ 13, 14 BGB sein.
[14] OLG Celle v. 2.12.2015 – 3 U 113/15, juris, Rn 33; BGH NJW 2006, 2250 zu § 474 BGB; LG Kaiserslautern BauR 2014, 308; Baumbach/Hopt, § 1 Rn 16; Heidel/Schall, § 1 Rn 22; MüKo-HGB/K. Schmidt, § 1 Rn 31; Röhricht/von Westphalen/Haas, HGB, § 1 Rn 348; Schön, DB 1998, 1172; K. Schmidt, Handelsrecht, § 9 Rn 37; K. Schmidt, NJW 1998, 2161, 2162.
[15] Brandenburgisches OLG v. 30.1.2020 – 7 W 51/17, Rn 14, juris; Heidel/Schall, § 1 Rn 22.
[16] Heidel/Schall, § 1 Rn 19.
[17] BGHZ 74, 273; Baumbach/Hopt, § 1 Rn 17; Heidel/Schall, § 1 Rn 20.

b) Istkaufmann, Kannkaufmann, Formkaufmann

 

Rz. 5

Jeder Kaufmann ist verpflichtet, seine Firma und den Ort der Niederlassung beim zuständigen Gericht zur Eintragung anzumelden (§ 29 HGB). Eintragungspflichtig ist nur der Istkaufmann, der ein Handelsgewerbe i.S.v. § 1 Abs. 1 HGB betreibt. Nach Aufhebung der registerrechtlichen Privilegierung gewerblicher Unternehmen der öffentlichen Hand (vgl. § 36 HGB a.F.) sind auch rechtlich unselbstständige wirtschaftliche Unternehmen, die von Gebietskörperschaften als Eigenbetrieb geführt werden, eintragungspflichtig i.S.v. § 33 HGB.[18] Die Registereintragung wirkt bei diesen Kaufleuten nur deklaratorisch.[19] Nach Streichung des § 4 HGB a.F. ist die Differenzierung zwischen Voll- und Minderkaufleuten weggefallen. Damit werden die Kleingewerbetreibenden grundsätzlich aus dem Anwendungsbereich des Handelsrechts herausgenommen.[20] Sie sind Nichtkaufleute, also normale "BGB-Bürger",[21] können jedoch als Unternehmer i.S.v. § 14 BGB gelten.

§ 2 HGB eröffnet den Kleingewerbetreibenden eine Option auf Eintragung in das Handelsregister, unabhängig von der Betriebsgröße. Mit der Eintragung erwirbt der Gewerbetreibende die Kaufmannseigenschaft. Man nennt sie daher Kannkaufleute. Die Eintragung im Handelsregister hat im Hinblick auf die Kaufmannseigenschaft konstitutive Wirkung. Die Regelung ist für den Kleingewerbetreibenden flexibel gehalten: Durch einen Löschungsantrag gem. § 2 S. 3 HGB kann er seine Kaufmannseigenschaft jederzeit freiwillig wieder aufgeben, es sei denn, die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 HGB sind zwischenzeitlich eingetreten. Schmidt bezeichnet daher die Kleingewerbetreibenden als "Kannkaufleute mit Rückfahrkarte".[22]

Eintragung und Löschung haben keine Rückwirkung. Der Kleingewerbetreibende untersteht dem Kaufmannsrecht nur für den Zeitraum seiner Eintragung im Handelsregister.[23] Die in dieser Zeit begründeten Rechte und Pflichten unterstehen auch nach der Löschung weiterhin dem Kaufmannsrecht.[24]

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