I. Widerspruch gegen die Ablehnung der Neuerteilung der Fahrerlaubnis

 

Rz. 61

Zunächst muss gegen die Ablehnung der Neuerteilung der FE Widerspruch eingelegt werden, § 68 Abs. 2 VwGO. Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem die Ablehnung der Neuerteilung der FE dem Betroffenen bekannt gegeben worden ist, schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die die Ablehnung erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung des Widerspruchs bei der Widerspruchsbehörde gewahrt (§ 70 VwGO; zu weiteren Einzelheiten des Widerspruchsverfahrens siehe § 55 Rdn 1 ff. und § 56 Rdn 2 ff.).

Das gilt selbstverständlich nur dann, wenn das Widerspruchsverfahren in dem jeweiligen Bundesland statthaft ist.

II. Klage gegen die Nichterteilung der Fahrerlaubnis

 

Rz. 62

Gegen die Ablehnung der Neuerteilung der FE kann eine Verpflichtungsklage erhoben werden (zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren siehe unten § 56 Rdn 1 ff. und die darauffolgenden Kapitel). Mit der Verpflichtungsklage kann die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt werden (§ 42 Abs. 1 Hs. 2 VwGO).[49] Während die Versagungsgegenklage (auch Weigerungs-/Ablehnungsgegenklage genannt) gem. § 42 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2 VwGO auf den Erlass eines ursprünglich beantragten, dann aber abgelehnten Verwaltungsakts gerichtet ist, soll durch die Untätigkeitsklage (§§ 42 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 2, § 75 VwGO) der Erlass eines unterlassenen Verwaltungsaktes erreicht werden. Im Gegensatz zur Versagungsgegenklage liegt hier also gerade kein ablehnender Verwaltungsakt vor. Die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage setzt aber voraus, dass zuvor bei der Behörde auch ein entsprechender Antrag gestellt wurde. Hierbei handelt es sich um eine im Verwaltungsprozess nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung.[50]

 

Rz. 63

Eine ursprünglich als Untätigkeitsklage gemäß § 75 VwGO erhobene Klage kann nach Erlass des ablehnenden Widerspruchsbescheids mit einem Verpflichtungsbegehren fortgeführt werden.[51]

 

Rz. 64

Begründet ist die Verpflichtungsklage, soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsaktes rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 S. 1 VwGO). Dabei ist zu beachten, dass die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, nur ausgesprochen wird, wenn die Sache spruchreif ist. Ansonsten spricht das Gericht die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden (§ 113 Abs. 5 S. 2 VwGO).

[49] Dazu BVerwG zfs 2002, 46.
[50] VGH BW VBlBW 2000, 106.
[51] VG Saarland, Urt. v. 30.12.1998 – 3 K 9/97.

III. Grundsätzlich keine Neuerteilung der Fahrerlaubnis im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO

1. Grundsätzlich keine Vorwegnahme der Hauptsache

 

Rz. 65

Eine Vorwegnahme der Hauptsache ist grundsätzlich nicht zulässig. Eine derartige Vorwegnahme kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es für den ASt. schlechthin unzumutbar ist, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Davon ist nur dann auszugehen, wenn dem ASt. ohne die begehrte Erteilung schwerwiegende Nachteile drohen, die ihm nicht zuzumuten sind. Hierfür reicht es nicht aus, wenn sich die Beeinträchtigungen lediglich im privaten Bereich bewegen, auch wenn der ASt. diese als erhebliche Belastung empfindet. Anders kann es dagegen sein, wenn Beeinträchtigungen in beruflicher Hinsicht vorliegen.

 

Rz. 66

Über diese besondere Dringlichkeit hinaus müssen überwiegende Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache gegeben sein. Beide Voraussetzungen müssen glaubhaft gemacht werden. Es sind jeweils auch die betroffenen öffentlichen Interessen zu berücksichtigen.[52] Es kann nur in ganz zugespitzten Fällen vom Verbot der Vorwegnahme der Hauptsache eine Ausnahme gemacht werden.[53]

 

Rz. 67

Fälle: Der Antrag, die Fahrerlaubnisbehörde im Wege der einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zu verpflichten, dem ASt. (nach §§ 8, 15c StVZO a.F.) eine FE zu erteilen, ohne zuvor eine medizinisch-psychologische Untersuchung durchführen zu lassen, liefe auf eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache hinaus. Dem ASt. ist es nicht schlechthin unzumutbar, den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Neben der fehlenden besonderen Dringlichkeit fehlt es hier auch an der überwiegenden Erfolgsaussicht des Rechtsbehelfs in der Hauptsache. Dazu genügt es nämlich nicht, dass die Entziehung der FE als erhebliche Belastung im privaten Bereich empfunden wird.[54]

 

Rz. 68

Geht es dem ASt. um die Klärung der Frage, ob im Rahmen einer Neuerteilung der FE eine MPU verlangt werden kann, so scheitert hier eine einstweilige Anordnung bereits deshalb, weil die isolierte Klärung der rechtlichen Frage, ob eine MPU verlangt werden kann oder nicht – jedenfalls nach herrschender Rechtsprechung – auch nicht im Hauptsacheverfahren geklärt werden könnte.[55]

 

Rz. 69

Überhaupt ist die isolierte Klärung einer Rechtsfrage (Begehren, über einen Antrag auf Neuerteilung der FE nach Recht und Gesetz zu entscheiden[56]) eine vorweggenommene und damit unzulässige Prüfung der Rechtslage im Hinblick auf das vom ASt. in der Hauptsache zu verfolgende Begehren.[57]

 

Rz. 70

Die Neuerteilung der FE im Wege der einstweiligen Anordnung schon vor einer Entscheidung in der Hauptsache hat auch der VGH ...

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